Rz. 257

Neben der Pflichtteilsquote muss der Pflichtteilsberechtigte auch die Höhe seines Anspruchs, also den Wert des Nettonachlasses, beweisen. Hierfür dienen ihm das im Rahmen des Auskunftsverfahrens eingeholte Nachlassverzeichnis sowie eventuell erstellte Sachverständigengutachten. Die meisten Schwierigkeiten bereitet in der Praxis jedoch die Bewertung der im Nachlass befindlichen Immobilien oder Unternehmen. Der Erbe selbst ist im Rahmen des Wertermittlungsanspruchs grundsätzlich nur verpflichtet, ein Sachverständigengutachten eines unparteiischen Sachverständigen vorzulegen. Ihm obliegt wegen der Kostentragung[410] auch die Auswahl des Sachverständigen selbst.[411] Dies führt jedoch dazu, dass ein solches Gutachten für den Pflichtteilsberechtigten lediglich einen Anhaltspunkt für die Höhe des Pflichtteilsanspruchs bietet und im Rahmen eines Prozesses wie ein Privatgutachten zu behandeln ist.[412] Begehrt der Pflichtteilsberechtigte daher einen über den bislang ermittelten Wert hinausgehenden Pflichtteilsanspruch, so ist er hierfür im Prozess beweispflichtig. Diesen Beweis kann der Pflichtteilsberechtigte nur durch Sachverständigenbeweis führen. Macht das Gericht von dem angebotenen Beweismittel keinen Gebrauch, dann hat der Pflichtteilsberechtigte nur die Möglichkeit, ein weiteres Privatgutachten in Auftrag zu geben.

 

Rz. 258

Ein solches Privatgutachten ist im Prozess grundsätzlich als substantiiertes Parteivorbringen zu würdigen.[413] Der Erbe braucht sich das Privatgutachten daher grundsätzlich nicht entgegenhalten zu lassen. Kommt der vom Kläger beauftragte Privatgutachter allerdings zu einem anderen Ergebnis als der vom Gericht oder vom Erben beauftragte Sachverständige, kann das Gericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet sein.[414] Hält das Gericht dagegen ein Privatgutachten für ausreichend, kann es u.U. im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Das OLG Düsseldorf[415] hat die Bewertung eines Privatgutachtens im Wege des Urkundenbeweises z.B. dann zugelassen, wenn das Gutachten erkennen lässt, dass es die von der Rechtsprechung und Literatur herausgestellten Bewertungsmerkmale hinreichend berücksichtigt, eine Unparteilichkeit des Sachverständigen aufgrund seiner Berufsausübung gewährleistet ist und die Parteien sich nicht gegen die tatsächlichen Feststellungen im Gutachten selbst, sondern nur gegen die rechtlichen Folgerungen daraus wenden.

 

Rz. 259

Als tatsächliches Beweismittel kann ein privates Sachverständigengutachten aber nur mit Zustimmung beider Parteien herangezogen werden.[416] Der Tatrichter darf ein Privatgutachten zwar durchaus würdigen, er darf hierbei aber nicht außer Acht lassen, dass es sich grundsätzlich nicht um Beweismittel i.S.d. §§ 355 ff. ZPO, sondern nur um einen qualifizierten substantiierten Parteivortrag handelt.[417] Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist allenfalls dann entbehrlich, wenn der Tatrichter allein schon aufgrund des substantiierten Parteivortrags ohne Rechtsfehler zu einer zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage kommt.[418]

 

Rz. 260

 

Praxishinweis

Wird ein Privatgutachten durch das Gericht verwertet, kommt ein Kostenerstattungsanspruch für das Beweisgutachten nach § 91 ZPO in Betracht, der im Kostenfestsetzungsantrag berücksichtigt werden sollte.

[410] OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 393.
[411] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 133; Soergel/Dieckmann, § 2314 Rn 29.
[412] BGHZ 107, 200, 204.
[414] Michalski, ZIP 1991, 918.
[415] OLG Düsseldorf BB 1973, 910.
[417] BGH VersR 1981, 276, 577.
[418] BGH VersR 1987, 1007, 1008.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?