Rz. 35
Ein Einziehungsverfahren nach Maßgabe des § 2361 BGB kann sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Häufig werden die Chancen einer einstweiligen Anordnung nicht genutzt. Nach der h.M. sind einstweilige Anordnungen im Einziehungsverfahren zulässig. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung wären:
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evtl. ein Antrag nach § 51 FamFG; |
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Vorliegen eines Anordnungsanspruches (schlüssig vorgetragene materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für den Anspruch nebst Glaubhaftmachung der Voraussetzungen (§§ 51, 53 FamFG), soweit ein Antragsverfahren vorliegt); |
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sowie ein Anordnungsgrund (schlüssiger Vortrag zu dringendem Bedürfnis für sofortiges Tätigwerden nebst Glaubhaftmachung (§§ 51, 31 FamFG), soweit ein Antragsverfahren vorliegt) |
Das Nachlassgericht und das Beschwerdegericht können dabei nach pflichtgemäßem Ermessen vorgehen, also ohne Antrag eines Dritten vorgehen. Ohnehin versteht sich der "Antrag" lediglich als "Anregung".
Rz. 36
Möglich ist eine einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts, § 49 Abs. 1 FamFG analog bzw. des Beschwerdegerichts – unmittelbar– auf Rückgabe des Erbscheins zu den Nachlassakten. Dasselbe Ziel lässt sich selbstverständlich auch mit einer einstweiligen Verfügung im ZPO-Verfahren nach § 2362 Abs. 1 BGB, § 935 ZPO erreichen. Mangels gesetzlicher Grundlage beseitigen diese Anordnungen nicht den öffentlichen Glauben des Erbscheins.
Rz. 37
Ein Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.
Rz. 38
Zu unterscheiden ist somit zwischen der zulässigen einstweiligen Rückgabe des Erbscheins und der eigentlichen Einziehung des Erbscheins, die nicht einstweilig angeordnet werden kann. Erst mit der tatsächlichen Einziehung wird der Erbschein kraftlos, § 2361 Abs. 1 S. 2 BGB. Jedoch kann mit diesen Entscheidungen gegebenenfalls verhindert werden, dass ein Rechtserwerb wegen der fehlenden Vorlagemöglichkeit des Erbscheins unterbleibt.
Wird die Rückgabe des Erbscheins verweigert, stehen dem Nachlassgericht die Zwangsmittel der §§ 35, 87, 89, 90, 92, 94 FamFG zur Seite. Das Nachlassgericht kann z.B. im Wege der einstweiligen Anordnung von Amts wegen die Sicherstellung eines Erbscheins anordnen, wenn sich objektive Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Erblasser entgegen den bisher bekannten Tatsachen möglicherweise ein erbberechtigtes Kind gehabt hat.
Rz. 39
Befinden sich die Akten bereits beim Beschwerdegericht, weil das Amtsgericht dem Einziehungsbegehren nicht Folge geleistet hat, kann der Antrag unmittelbar auf § 49 Abs. 1 FamFG gestützt werden.
Die einstweilige Anordnung wird in der Praxis insbesondere in den Fällen der weiteren Beschwerde beim OLG einzureichen sein, wenn z.B. das Landgericht das Amtsgericht angewiesen hat, einen bestimmten Erbschein zu erteilen. Unabhängig davon kann einstweiliger Rechtsschutz im streitigen Zivilverfahren begehrt werden.
Gegen die einstweilige Anordnung des Gerichts kann der Rechtsbehelf der Beschwerde beim iudex a quo oder dem übergeordneten Gericht eingereicht werden.
Rz. 40
Nach § 2362 Abs. 1 BGB kann der wirkliche Erbe vom Besitzer des unrichtigen Erbscheins dessen Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen. Dieser Herausgabeanspruch kann wie oben ausgeführt mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden. Auch hier gilt, dass die Wirkungen des Erbscheins erst analog § 2361 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen, wenn nach einer Hauptsacheentscheidung, die auf einem Anspruch nach § 2362 BGB beruht, der Erbschein tatsächlich zurückgegeben wird.
Rz. 41
Ansonsten ist der Anwendungsbereich der einstweiligen Anordnungen begrenzt. So kann z.B. wegen fehlender Unzuständigkeit des Nachlassgerichts dieses nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Entlassung des Testamentsvollstreckers bestimmen. Gleiches gilt für ein Eingreifen während laufender Amtsführung des Testamentsvollstreckers. Die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind nicht befugt, in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers einzugreifen. Einzelne Maßnahmen können daher dem Testamentsvollstrecker nicht durch einstweilige Anordnung untersagt werden. Um z.B. eine unzulässige Verfügung des Testamentsvollstreckers zu unterbinden, muss dann eine einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO beim zuständigen Gericht eingereicht werden.
Rz. 42
Strobel will bei der Zulässigkeit des Einstweiligen Rechtsschutzes beim Testamentsvollstrecker danach unterscheiden, ob ein Entlassungsantrag nach § 2227 BGB anhängig ist oder nicht. Sofern ein Entlassungsverfahren anhängig ist, könne eine einstweilige Anordnung nach § 49 FamFG ergehen, die nach seiner Auffassung nicht auf punktuelle Maßnahmen beschränkt sei, sondern auch die vorläufige Untersagung der Amtsführung vorsehen kann. Die bisherige Rechtsprechung sieht dies nicht so, und zwar mit dem Argument, das Nachlassgerich...