Prof. Dr. Karsten Metzlaff
Rz. 33
Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens erstellt der Berichterstatter einen Vorbericht für die Verwaltungssitzung, an der alle Mitglieder des Gerichtshofs teilnehmen. Der Bericht, der den Beteiligten nicht zugänglich ist, enthält Vorschläge bezüglich vorzunehmender Verfahrensmaßnahmen und der Frage, ob eine Beweisaufnahme oder ein Klarstellungsersuchen an das vorlegende Gericht erforderlich sind sowie an welchen Spruchkörper die Rechtssache verwiesen werden soll (Art. 59 VerfO EuGH/Art. 87 VerfO EuG). Ferner nimmt der Berichterstatter zur Notwendigkeit der mündlichen Verhandlung und der Schlussanträge des Generalanwalts Stellung. In den meisten Fällen wird beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne Beweisaufnahme zu eröffnen. Deren Termin wird dann vom Präsidenten des jeweiligen Gerichts bestimmt.
Rz. 34
Der EuGH ist befugt auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts, auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten (Art. 76 Abs. 1 VerfO EuGH). Dafür muss er sich durch die im schriftlichen Verfahren eingereichten Schriftsätze und Erklärungen für ausreichend unterrichtet halten. Ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist allerdings nicht möglich, wenn ein Beteiligter nicht am schriftlichen Verfahren teilgenommen hat. In der Entscheidung über das Abhalten einer mündlichen Verhandlung kommt es daher nicht maßgeblich darauf an, ob ein Beteiligter einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, sondern darauf, wie der Gerichtshof den Beitrag einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidung des Rechtsstreits oder zur Beantwortung der Vorlagefrage einschätzt. Der Antrag auf mündliche Verhandlung, der drei Seiten nicht überschreiten sollte, ist binnen drei Wochen nach Zustellung der eingereichten Stellungnahmen zu stellen und gesondert zu begründen (Art. 76 Abs. 1 VerfO EuGH), wobei eine dezidierte Auseinandersetzung mit Aspekten, die im schriftlichen Verfahren noch keine weitere Beachtung gefunden haben, anzuraten ist. Im Verfahren vor dem EuG kann auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden, wenn kein Antrag gestellt wurde und eine hinreichende Unterrichtung durch die Aktenstücke gegeben ist (Art. 106 Abs. 2 VerfO EuG).
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersendet der EuGH Hinweise für die Prozessbevollmächtigten. Ihre Beachtung ist dringend zu empfehlen.
Weiterführend empfiehlt es sich, die vom Gerichtshof und dem Gericht veröffentlichten Hinweise für den Vortrag in der mündlichen Verhandlung zu lesen und zu beachten.
1. Zweck der mündlichen Verhandlung
Rz. 35
Findet eine mündliche Verhandlung statt, so dient sie dazu, dem Gerichtshof die maßgeblichen Punkte der Rechtssache zur Kenntnis zu bringen. Es gilt gemäß Art. 61 Abs. 2 VerfO EuGH außerdem der Grundsatz, sich auf festgelegte Fragen des Gerichtshofs zu konzentrieren. Wiederholungen aus den schriftlichen Vorträgen sind zu unterlassen. Deshalb empfiehlt der Gerichtshof den Teilnehmern der mündlichen Verhandlung, die die gleiche Auffassung vertreten, sich bereits vor der Verhandlung zu besprechen, damit bereits vorgetragene Argumente nicht wiederholt werden. In der mündlichen Verhandlung können des Weiteren solche Tatsachen vorgetragen werden, die sich erst nach Ende des schriftlichen Verfahrens ergeben haben. Fordert der Gerichtshof die Beteiligten gemäß Art. 61 und 62 VerfO EuGH zu weiteren Fragen auf, können auch diese in der mündlichen Verhandlung beantwortet werden.
Die mündliche Verhandlung im Vorabentscheidungsverfahren dient außerdem dazu, auf die Argumente der Beteiligten zu entgegnen, was im schriftlichen Vorabentscheidungsverfahren nicht vorgesehen ist, da es nur die Einreichung des Schriftsatzes umfasst.
Rz. 36
Der frühere Sitzungsbericht des Berichterstatters, der anders als der Vorbericht an die Verfahrensbeteiligten ausgehändigt wurde und insbesondere zur Überprüfung von Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben sowie zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung diente, ist in den neuen Verfahrensordnungen nicht mehr vorgesehen.
2. Ablauf der mündlichen Verhandlung
Rz. 37
In der Regel gliedert sich die mündliche Verhandlung vor dem EuGH in drei Teile: mündliche Ausführungen, Fragen, Erwiderung. Vor der mündlichen Verhandlung werden die Prozessbeteiligten zu einer kurzen Vorbesprechung in das Beratungszimmer des Gerichts gebeten. Hier geht es im Wesentlichen um die Festlegung der Reihenfolge der Plädoyers sowie um die dafür beanspruchte Zeit. Es empfiehlt sich, die vom Gerichtshof eingeräumte, ohnehin auß...