Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
I. Einleitung
Rz. 27
Im Folgenden soll auf praxisrelevante Aspekte eingegangen werden, die sich bei der Kündigung sowohl des Dienstvertrags eines AG-Vorstands als auch bei der Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Spezifika stellen können. Wie einleitend bereits erwähnt, gelten die Ausführungen für das Regelbeispiel des jeweils wirksam bestellten und mit einem wirksamen (in der Regel befristeten) Dienstvertrag versehenen Organmitglieds. Soweit nicht gesondert gekennzeichnet, gelten die nachfolgenden Ausführungen daher im Zweifel sowohl für den GmbH-(Fremd)Geschäftsführer als auch für den AG-(Fremd)Vorstand.
II. Abmahnung
Rz. 28
Die Frage, ob es vor Ausspruch einer Kündigung des Dienstvertrags des Vorstandsmitglieds oder des GmbH-Geschäftsführers einer Abmahnung bedarf, wurde bisher ganz herrschend verneint, auch bei verhaltensbedingten Pflichtverletzungen. Nach Einführung des § 314 BGB wurde dies bezweifelt. Der BGH bestätigte seine Rechtsprechung. Dabei befasste sich der BGH allerdings mit § 314 BGB a.F. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. verwies für die Entbehrlichkeit der Abmahnung noch auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die von Leitungsorganen übernommenen Arbeitgeberfunktionen ordnete der BGH als besonderen Umstand i.S.v. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein und hielt die Abmahnung für entbehrlich. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB verweist in neuer Fassung allerdings nur noch auf § 323 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB. Allerdings ist die Abmahnung nun nach § 314 Abs. 2 S. 3 BGB entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen. Durch die Neufassung sollte die bestehende Rechtslage aufrechterhalten bleiben. Daher ist eine Abmahnung nun nach § 314 Abs. 2 S. 3 BGB entbehrlich.
Rz. 29
§ 314 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass Dauerschuldverhältnisse (also auch mehrjährige Geschäftsführer-/Vorstanddienstverhältnisse) aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können. § 314 Abs. 1 S. 2 BGB ordnet weiter an, dass ein wichtiger Grund dann vorliegt, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, was im Wesentlichen der Regelung des § 626 Abs. 1 BGB entspricht. § 314 Abs. 2 BGB sieht vor, dass immer dann, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht, die Kündigung (nach § 314 Abs. 1 BGB) erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig ist (vgl. § 314 Abs. 2 S. 1 BGB). Die vorherige Abmahnung ist also nach der Neufassung des BGB der Regelfall. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB regelt aber auch sogleich die Ausnahme. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung wird auf § 323 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB verwiesen (vgl. § 314 Abs. 2 S. 2 BGB). Als weitere Ausnahme wird in § 314 Abs. 2 S. 3 BGB angeordnet, dass eine Abmahnung auch dann entbehrlich ist, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.
Damit ist im Ergebnis im Wesentlichen die Rechtsprechung des BAG vom Gesetzgeber übernommen. Auch nach der Rechtsprechung des BAG ist bei Sachverhalten, in denen es um steuerbares Verhalten geht, regelmäßig als Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Abmahnung erforderlich, auch dann, wenn der Vertrauensbereich berührt ist. Die Rechtsprechung des BAG hat aber auch schon immer anerkannt, dass es Ausnahmefälle geben kann, die eine vorherige Abmahnung entbehrlich machen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer keinen vernünftigen Grund haben konnte, anzunehmen, sein Verhalten werde toleriert oder nicht zum Anlass einer Kündigung genommen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich die Praxis schon aus Gründen anwaltlicher Vorsorge für die jeweilige Mandantschaft darauf einstellen sollte, dass zukünftig diese vom BAG in jahrzehntelanger Rechtsprechung ausgeprägten Grundsätze als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch im Bereich der Dienstverhältnisse von Organmitgliedern zur Anwendung kommen werden, das Dilemma des Arbeitsrechtlers nun also auch das Recht der GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände erreicht haben dürfte. Entgegen der Auffassung der Rechtsprechung wird in der Literatur vertreten, vor Ausspruch einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung sei regelmäßig zu überlegen, ob die im Raum stehende Pflichtverletzung des Organmitglieds zunächst einer Abmahnung bedürfe und erst im Wiederholungsfall zum Anlass einer entsprechenden Kündigung genommen werden könne oder ob besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.
Rz. 30
Damit ist nicht auszuschließen, dass dann auch arbeitsrecht...