Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 81
Eine weitere Sonderkonstellation kann vorliegen, wenn der Vorstand/Geschäftsführer zuvor bereits bei der Gesellschaft, für die er nun als Organ tätig ist, in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Nachdem das BAG früher die Auffassung vertreten hat, dass das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers nach Bestellung zum Organmitglied im Zweifel als ruhendes Arbeitsverhältnis anzusehen sei, vertritt das BAG nunmehr den Standpunkt, dass in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte eine Vermutung dafür spreche, dass nach dem Willen der Parteien neben einem Geschäftsführer-Dienstvertrag nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen soll. Die Variante einer konkludenten Aufhebung ist also vom BAG angenommen und akzeptiert worden.
Rz. 82
Seit dem 1.5.2000 ist § 623 BGB dahingehend verändert worden, dass für die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform verlangt wird. In diesem Zusammenhang ist die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Frage gestellt worden, insbesondere mit der Erwähnung, dass eine konkludente Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht (mehr) in Betracht komme. Das Bundesarbeitsgericht hat zwischenzeitlich jedoch seine vorgenannten Grundsätze bestätigt. Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag, dann wird vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses einvernehmlich beendet werde, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden sei. Durch einen schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag werde in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt.
Rz. 83
Ist damit für die Praxis zumindest für den "Normalfall" der "Beförderung" eines Arbeitnehmers zum Organmitglied der gleichen Gesellschaft unabhängig von bestehenden dogmatischen Bedenken Klarheit geschaffen, bleiben zwei weitere Konstellationen zu berücksichtigen, in denen die Rechtsprechung des BAG nicht unmittelbar zur Anwendung gebracht werden kann. Dies betrifft zum einen den Fall, dass die Vertragspartner von (früherem) Arbeitsvertrag und (späterem) Geschäftsführer-Dienstvertrag auseinanderfallen, wie es typischerweise bei einer Geschäftsführertätigkeit in einem anderen Konzernunternehmen der Fall ist. Weiterhin bleibt die Variante zu berücksichtigen, dass einer Bestellung zum Organ ein mündlich abgeschlossener Dienstvertrag zugrunde liegt.
Rz. 84
In diesen Konstellationen ist auch nach der Rechtsprechung des BAG eine ausdrückliche Aufhebungsvereinbarung außerhalb des Dienstvertrags geboten. Insoweit bestünde zwar auch die Möglichkeit, dass der (alte) Arbeitgeber den neuen "Dienstvertrag" mitunterzeichnet. In der Praxis empfiehlt es sich zur Vermeidung weiterer Probleme durch die Drittunterschrift aber, dass bei Auseinanderfallen der Parteien die Rechtsverhältnisse getrennt ausdrücklich schriftlich beendet bzw. begründet werden. Bei dem lediglich mündlich vorgenommenen Dienstvertragsabschluss ist die Formvorschrift des § 623 BGB in Ansehung des (alten) Arbeitsvertrags offensichtlich nicht gewahrt, so dass hier eine ausdrückliche Aufhebungsvereinbarung geboten ist.
Rz. 85
Aus Sicht des Beraters ist der Klarheit wegen unabhängig von der Rechtsprechung des BAG anzuraten, eine ausdrückliche Abrede zur Aufhebung des (ehemaligen) Arbeitsverhältnisses zu treffen. Zur Vermeidung von Vertretungsproblemen sollte dabei die Aufhebung mit dem (alten) Arbeitgeber erfolgen. Grundsätzlich ist es auch möglich, dass die Aufhebung innerhalb des neuen Geschäftsführer-Dienstvertrags erfolgt und – aus Rechtssicherheitsgründen – der alte Arbeitgeber diesen Vertrag mitunterzeichnet. Eine entsprechende Klausel, die auch drucktechnisch hervorgehoben werden sollte, kann z.B. wie folgt lauten:
Rz. 86
Formulierungsbeispiel
Mit Abschluss dieses Vorstands- bzw. Geschäftsführer-Dienstvertrags wird der bisher zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag vom (…) entschädigungslos/gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von (…) EUR brutto aufgehoben.