a) Allgemeines

 

Rz. 481

Eine Kündigung durch den Versicherer ist regelmäßig nur in den gesetzlich geregelten Fällen möglich.[807] Neben der Kündigung wegen Verzugs mit der Zahlung einer Folgeprämie (§ 38 VVG) kommt eine Kündigung im Falle der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 3 S. 2 VVG (siehe Rdn 450 ff.) sowie bei Gefahrerhöhung in Betracht (§ 24 VVG). Für die Gefahrerhöhung ist § 158 VVG zu beachten.

 

Rz. 482

Ein weitergehendes Recht zu einer ordentlichen Kündigung steht dem Versicherer in der Lebensversicherung anders als sonst bei Dauerschuldverhältnissen nicht zu. Dem Versicherungsnehmer soll, solange er seine Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag erfüllt, nicht ohne oder gegen seinen Willen die Grundlage seiner Alters- und/oder Hinterbliebenenversorgung entzogen werden können.[808]

[807] Vgl. Prölss/Martin/Reiff, § 166 VVG Rn 1; Langheid/Wandt/Mönnich, § 166 VVG Rn 15.
[808] Goll/Gilbert/Steinhaus, 7.2, S. 159.

b) Kündigung gem. § 38 VVG

 

Rz. 483

Nach § 38 Abs. 3 VVG ist der Versicherer bei Verzug des Versicherungsnehmers mit einer Folgeprämie berechtigt, den Versicherungsvertrag zu kündigen.[809] Der Verzug des Versicherungsnehmers mit Zinsen für ein Policendarlehen berechtigt den Versicherer nicht zur Kündigung des Versicherungsvertrags.[810] Voraussetzung für das Kündigungsrecht des Versicherers ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zuvor in Textform gemahnt hat und dass innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist keine Zahlung durch den Versicherungsnehmer erfolgt ist. Bei einer Mehrheit von Versicherungsnehmern muss für eine wirksame Fristsetzung wegen Zahlungsverzugs mit einer Folgeprämie jeder Versicherungsnehmer gesondert gemahnt werden, auch wenn die Versicherungsnehmer unter derselben Anschrift wohnhaft sind.[811]

Die Kündigung wegen Nichtzahlung der Folgeprämie führt nach § 166 Abs. 1 S. 1 VVG nicht zur Beendigung des Lebensversicherungsvertrages, sondern zu einer Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungssumme erreicht wird. Nur wenn der entsprechende Mindestbetrag nicht erreicht wird, kommt es zu einer Beendigung des Vertrages für die Zukunft. Der Versicherer hat in diesem Fall den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu erstatten (§ 165 Abs. 1 S. 2 VVG).

 

Rz. 484

Voraussetzung für die Umwandung des Versicherungsvertrags in eine prämienfreie Versicherung nach § 166 Abs. 1 S. 1 VVG ist, dass nach dem der Versicherung zugrundeliegenden Tarif die Bildung eines Deckungskapitals vorgesehen ist. § 166 Abs. 13 VVG findet auf alle Arten von Lebensversicherungen Anwendung.[812] Bei einer reinen Risikoversicherung hat die Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung zur Folge, dass sich die Versicherungsleistung auf eine beitragsfreie Versicherungsleistung reduziert. Auch hier gilt: Erreicht die Versicherungsleistung im Fall der Beitragsfreistellung nicht die Mindestversicherungsleistung nach § 165 Abs. 1 S. 2 VVG, hat der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu zahlen. Ist zum Zeitpunkt der Beitragsfreistellung kein positives Deckungskapital vorhanden, scheidet eine Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung aus; die Versicherung erlischt mit Wirksamwerden der Kündigung.

 

Rz. 485

Das Recht des Versicherers zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs bei Folgeprämien setzt eine vorherige Mahnung des Versicherungsnehmers voraus (§ 38 Abs. 1 VVG). Die Mahnung muss die rückständigen Beträge der Prämie sowie Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffern und die Rechtsfolge angeben, die mit dem Ablauf der Zahlungsfrist verbunden ist. Bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben. Soweit die Kündigung des Versicherungsvertrags die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung zur Folge hat, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer in der Mahnung auf die eintretende Umwandlung hinzuweisen (§ 166 Abs. 3 VVG). Für die Mahnung ist Textform ausreichend.[813]

 

Rz. 486

Das OLG München führt in einem Urteil zur Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 39 VVG a.F. – neben weiteren angemerkten Punkten – aus, für die Belehrung über die Rechtsfolgen verspäteter Zahlung sei der Abdruck eines Auszugs aus den gesetzlichen Bestimmungen (damals: §§ 39, 175 VVG) außerhalb des eigentlichen Mahnschreibens unzureichend. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes sei zur sachgerechten Belehrung eines Nichtjuristen nicht ausreichend.[814]

 

Rz. 487

Demgegenüber stellt Reinhard in seiner Anmerkung zu dem Urteil seine Bedenken gegen die dort für die Unwirksamkeit der Kündigung mangels ausreichender Mahnung angeführten Punkt dar. Soweit ausschließlich der Gesetzeswortlaut des § 39 VVG a.F. als Belehrung im Mahnschreiben abgedr. sei, mag die Ansicht des OLG München zutreffen, da sich der Versicherungsnehmer dann aus dem komplizierten Text die für ihn relevante Information herauspicken müsse. Andererseits sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Belehrun...

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