a) Allgemeines
Rz. 474
Eine Kündigung durch den Versicherer ist regelmäßig nur in den gesetzlich geregelten Fällen möglich. Neben der Kündigung wegen Verzugs mit der Zahlung einer Folgeprämie (§ 38 VVG) kommt eine Kündigung im Falle der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 3 S. 2 VVG (siehe Rdn 443 ff.) sowie bei Gefahrerhöhung in Betracht (§ 24 VVG). Für die Gefahrerhöhung ist § 158 VVG zu beachten.
Rz. 475
Ein weitergehendes Recht zu einer ordentlichen Kündigung steht dem Versicherer in der Lebensversicherung anders als sonst bei Dauerschuldverhältnissen nicht zu. Dem Versicherungsnehmer soll, solange er seine Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag erfüllt, nicht ohne oder gegen seinen Willen die Grundlage seiner Alters- und/oder Hinterbliebenenversorgung entzogen werden können.
b) Kündigung gem. § 38 VVG
Rz. 476
Nach § 38 Abs. 3 VVG ist der Versicherer bei Verzug des Versicherungsnehmers mit einer Folgeprämie berechtigt, den Versicherungsvertrag zu kündigen. Der Verzug des Versicherungsnehmers mit Zinsen für ein Policendarlehen berechtigt den Versicherer nicht zur Kündigung des Versicherungsvertrags. Voraussetzung für das Kündigungsrecht des Versicherers ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer zuvor in Textform gemahnt hat und dass innerhalb der gesetzten Zahlungsfrist keine Zahlung durch den Versicherungsnehmer erfolgt ist. Bei einer Mehrheit von Versicherungsnehmern muss für eine wirksame Fristsetzung wegen Zahlungsverzugs mit einer Folgeprämie jeder Versicherungsnehmer gesondert gemahnt werden, auch wenn die Versicherungsnehmer unter derselben Anschrift wohnhaft sind.
Die Kündigung wegen Nichtzahlung der Folgeprämie führt nach § 166 Abs. 1 S. 1 VVG nicht zur Beendigung des Lebensversicherungsvertrages, sondern zu einer Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungssumme erreicht wird. Nur wenn der entsprechende Mindestbetrag nicht erreicht wird, kommt es zu einer Beendigung des Vertrages für die Zukunft. Der Versicherer hat in diesem Fall den auf die Versicherung entfallenden Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu erstatten (§ 165 Abs. 1 S. 2 VVG).
Rz. 477
Voraussetzung für die Umwandung des Versicherungsvertrags in eine prämienfreie Versicherung nach § 166 Abs. 1 S. 1 VVG ist, dass nach dem der Versicherung zugrundeliegenden Tarif die Bildung eines Deckungskapitals vorgesehen ist. § 166 Abs. 1–3 VVG findet auf alle Arten von Lebensversicherungen Anwendung. Bei einer reinen Risikoversicherung hat die Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung zur Folge, dass sich die Versicherungsleistung auf eine beitragsfreie Versicherungsleistung reduziert. Auch hier gilt: Erreicht die Versicherungsleistung im Fall der Beitragsfreistellung nicht die Mindestversicherungsleistung nach § 165 Abs. 1 S. 2 VVG, hat der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu zahlen. Ist zum Zeitpunkt der Beitragsfreistellung kein positives Deckungskapital vorhanden, scheidet eine Umwandlung der Versicherung in eine beitragsfreie Versicherung aus; die Versicherung erlischt mit Wirksamwerden der Kündigung.
Rz. 478
Das Recht des Versicherers zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs bei Folgeprämien setzt eine vorherige Mahnung des Versicherungsnehmers voraus (§ 38 Abs. 1 VVG). Die Mahnung muss die rückständigen Beträge der Prämie sowie Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffern und die Rechtsfolge angeben, die mit dem Ablauf der Zahlungsfrist verbunden ist. Bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben. Soweit die Kündigung des Versicherungsvertrags die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung zur Folge hat, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer in der Mahnung auf die eintretende Umwandlung hinzuweisen (§ 166 Abs. 3 VVG). Für die Mahnung ist Textform ausreichend.
Rz. 479
Will sich der Versicherer auf die Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Folgeprämie berufen, hat er den Zugang des qualifizierten Mahnschreibens mit dem Hinweis auf § 38 VVG zu beweisen. Der Nachweis ist etwa zu bejahen, wenn die Versendung des Mahnschreibens nachgewiesen ist, der Versicherungsnehmer drei weitere Schreiben der Versicherung erhalten hat und die Prämienzahlung zwei Tage nach dem Eintritt des Versicherungsereignisses erfolgte.
Rz. 480
Bei Kündigung einer Lebensversicherung, die von einem Arbeitgeber zugunsten seines Arbeitnehmers abgeschlossen worden ist (betriebliche Altersversorgung), muss der Versicherer gem. § 166 Abs. 4 VVG den bezugsberechtigten Arbeitnehmer über die Bestimmung der Zahlungsfrist nach § 38 Abs. 1 VVG und die eintretende Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung in Textform informieren und dem Arbeitnehmer eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Monaten einräumen. Dem Arbeitnehmer soll durch diese Neur...