Rz. 612
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).
Rz. 613
Ansprüche aus privaten Lebensversicherungen, die zum Vermögen des Schuldners gehören, sind grundsätzlich Teil der Insolvenzmasse des Schuldners gem. § 35 Abs. 1 InsO. Sofern zu einer Lebensversicherung ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt ist, gehören die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers. Da bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts die Gestaltungsrechte beim Versicherungsnehmer bleiben, kann der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers zwar die Gestaltungsrechte ausüben, der Rückkaufswert gebührt jedoch dem unwiderruflich Bezugsberechtigten. Er kann die Aussonderung aus der Insolvenzmasse verlangen.
Rz. 614
Allein die Vereinbarung eines sog. Verwertungsausschlusses nach § 168 Abs. 3 S. 1 VVG führt nicht dazu, dass das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters ausgeschlossen ist. Bei Vereinbarung eines sog. Verwertungsausschlusses ist zwar die Verwertung der Versicherung und damit eine Kündigung durch den Versicherungsnehmer vor Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen. Der Insolvenzverwalter kann jedoch in Anwendung des Rechtsgedankens des § 851 Abs. 2 ZPO die Versicherung gem. § 168 Abs. 1 VVG kündigen und den Rückkaufswert gem. § 169 Abs. 1 VVG für die Masse beanspruchen.
Rz. 615
Bei sog. Riesterverträgen ist das geförderte Altersvorsorgevermögen einschließlich seiner Erträge gem. § 97 EStG nicht übertragbar und entsprechend gem. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar. Dem Insolvenzverwalter steht insofern kein Kündigungsrecht und kein Recht zur Ausübung des 30-prozentigen Kapitalwahlrechts gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 a AltZertG zum Rentenbeginn zu. Ein Riestervertrag, dessen Altersvorsorgevermögen insgesamt durch geförderte Beitragszahlungen aufgebaut wurde, ist damit insgesamt unpfändbar und fällt gem. § 36 InsO nicht in die Insolvenzmasse. Der Pfändungsschutz erstreckt sich nicht auf Kapital, das auf nicht geförderten Beiträgen sowie den hierauf entfallenden Erträgen und Wertzuwächsen beruht. Der nicht geförderte Teil eines Riestervertrags ist damit pfändbar und fällt entsprechend in die Insolvenzmasse. Fraglich ist, ob dem Insolvenzverwalter bezüglich des nicht geförderten Teils eines Riestervertrags ein Teilkündigungsrecht zusteht. Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn ein Teilkündigungsrecht in den Versicherungsbedingungen vereinbart ist. Die Musterbedingungen des GDV sehen in § 10 Abs. 1 (klassische Riesterrente) bzw. § 13 Abs. 1 (fondsgebundene Riesterrente) ein solches Teilkündigungsrecht vor. Sehen die Versicherungsbedingungen kein Recht zur Teilkündigung vor, dürfte der Grundsatz gelten, dass das Kündigungsrecht als Gestaltungsrecht unteilbar ist. Wird ein Riestervertrag wirksam gekündigt, entfällt der Schutz des geförderten Vermögens und der Rückkaufswert fällt in die Insolvenzmasse.
Rz. 616
Inwiefern das Deckungskapital einer Basisrente insolvenzgeschützt ist, ist umstritten. Es wird diskutiert, ob das Deckungskapital einer Basisrentenversicherung unbegrenzt insolvenzgeschützt ist oder ob der Insolvenzschutz auf die geförderten Beträge beschränkt und für darüber hinausgehende Beträge der Rechtsgedanke des § 851 Abs. 2 ZPO heranzuziehen ist.
Rz. 617
Nicht in die Insolvenzmasse gehört darüber hinaus Vermögen, das die Anforderungen des § 851c ZPO erfüllt (sog. pfändungsgeschützte Verträge), soweit dieses nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt. Die Erklärung der Umwandlung einer Versicherung in einen pfändungsgeschützten Vertrag unterliegt nicht der Anfechtung gem. §§ 129 ff. InsO.
Rz. 618
Soweit ein privater Lebensversicherungsvertrag in die Insolvenzmasse des Schuldners fällt, kann der Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO wählen, ob er den Vertrag weiter erfüllen will. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst bewirkt noch keine materielle Umgestaltung des Vertrages und folglich kein Erlöschen. Wählt der Verwalter die Erfüllung, ist der Anspruch auf rückständige Prämien Masseverbindlichkeit. Ein Wahlrecht nach § 103 InsO besteht nicht, wenn der Lebensversicherungsvertrag beitragsfrei besteht, eine bereits geleistete Einmalprämie vereinbart war oder eine Beitragsbefreiung für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbart und der Versicherungsfall "Berufsunfähigkeit" eingetreten ist; in allen diesen Fällen fehlt es an der Voraussetzung, dass der Vertrag auch vom Schuldner nicht oder nicht vollständig erfüllt ist. Der Insolvenzverwalter kann jedoch die ihm ggf. zustehenden vertraglichen Rechte wie die Kündigung des Versicherungsvertrags geltend machen, um den Rückkaufswert einer Lebensversicherung zur Insolvenzmasse zu ziehen.
Rz. 619
Lehnt der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Wahlrechts nach § 103 InsO die Erfüllung ab, erlös...