Rz. 591
§ 851c Abs. 1 ZPO regelt, dass Renten, die aufgrund von Verträgen gewährt werden, nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen, wenn die Verträge durch Vereinbarung bestimmter Produktmerkmale und Verfügungsbeschränkungen für die Alterssicherung bestimmt sind. Voraussetzung für den Pfändungsschutz ist, dass
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die Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt wird, |
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über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf, |
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die Bestimmung eines Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigtem ausgeschlossen ist und |
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die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde. |
Rz. 592
Nach der Gesetzesbegründung dient § 851c ZPO dazu, die Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten derjenigen Personen zu erhalten, die am Ende ihrer Verdienstfähigkeit keine oder keine ausreichenden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten (insb. Selbstständige). Diesen Personen soll zumindest so viel belassen werden, wie sie zur Absicherung des Existenzminimums benötigen. Der Anwendungsbereich des § 851c ZPO ist trotzdem nicht auf Altersvorsorgeverträge Selbstständiger beschränkt. Auch Altersvorsorgeverträge abhängig Beschäftigter sind von § 851c ZPO erfasst. § 851c ZPO ist auch dann anwendbar, wenn der Schuldner nicht Versicherungsnehmer, sondern Pfandgläubiger ist.
Rz. 593
Problematisch ist, dass der Personenkreis der Hinterbliebenen i.S.d. § 851c Abs. 1 ZPO nicht näher konkretisiert ist. Unstrittig dürften unter den Hinterbliebenenbegriff der Ehepartner, die Kinder und die Pflegekinder des Schuldners fallen. Gleiches gilt für den eingetragenen Lebenspartner. Eine Lebensgefährtin bzw. ein Lebensgefährte unterfällt nicht dem Hinterbliebenenbegriff des § 851c Abs. 1 ZPO. Für die Beantwortung der Frage, ob darüber hinaus auch ein aufsteigender Verwandter dem Hinterbliebenenbegriff des § 851c Abs. 1 ZPO unterfällt, bleibt die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten.
Rz. 594
Pfändungsschutz nach § 851c ZPO besteht nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 851c ZPO kumulativ zum Zeitpunkt einer Pfändung vorliegen. Enthält der Vertrag, aus dem sich die gepfändeten Ansprüche ergeben, allerdings Bestimmungen, die einen späteren Eintritt der Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO endgültig sicherstellen, greift der Pfändungsschutz ab diesem späteren Zeitpunkt ein. Gewährt ein Rentenversicherungsvertrag ein Kapitalwahlrecht, fehlt es an der Voraussetzung des § 851c Abs. 1 ZPO, dass die Zahlung einer Kapitalleistung nicht vereinbart wurde. Der Versicherungsvertrag unterfällt in diesem Fall nicht dem Pfändungsschutz. Das bestehende Kapitalwahlrecht zu einer Rentenversicherung lässt den Pfändungsschutz auch hinsichtlich einer vor der Altersrente gewährten und mit dieser zusammen der Existenzsicherung dienenden Berufsunfähigkeitsrente entfallen. Kapitalleistungen an Hinterbliebene im Falle des Todes des Versicherungsnehmers hingegen sind mit § 851c Abs. 1 ZPO vereinbar.
Rz. 595
Hinsichtlich des Pfändungsschutzes für Berufsunfähigkeitsrenten liegt eine "lebenslange" Leistung vor, wenn die Berufsunfähigkeitsrente mit Erreichen der Altersgrenze endet, und dann im Anschluss die Zahlung der Altersrente einsetzt. Es ist damit nicht notwendig, dass die Berufsunfähigkeitsrente lebenslang gezahlt wird. Ausreichend ist vielmehr, dass es sich insgesamt um lebenslange Leistungen wegen eines alters- oder (vorausgehenden) gesundheitsbedingten Ausscheidens aus dem Berufsleben handelt.
Rz. 596
In § 851c Abs. 2 ZPO ist der Umfang des Pfändungsschutzes des Vorsorgevermögens geregelt. Um dem Schuldner den Aufbau einer angemessenen Alterssicherung zu ermöglichen, kann er unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenze, nach seinem Lebensalter gestaffelt, jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar auf der Grundlage eines in Absatz 1 bezeichneten Vertrags bis zu einer Gesamtsumme von 340.000 EUR ansammeln. Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 27. Lebensjahr 6.000 EUR und vom 28. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr 7.000 EUR jährlich ansammeln. Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. Übersteigt der Rückkaufswert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag um mehr als den dreifachen Wert, unterliegt der darüberhinausgehende Betrag dem uneingeschränkten Zugriff der Vollstreckungsgläubiger. Vom Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 2 ZPO erfasst ist nur der jährlich tatsächlich angesparte Betrag in Form des Deckungskapitals des Versicherungsvertrags. Die zum Aufbau der Altersvorsorge erforderlichen Mittel unterfallen hingegen nicht den Pfändungsschutzvorschriften.
Rz. 597
Schließlich regelt § 851c Abs. 3 ZPO die entsprechende Geltung von ...