Rz. 433
Die Ausübung des Rücktrittsrechts erfordert eine entsprechende Erklärung des Versicherers; es handelt sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Gem. § 21 Abs. 1 S. 3 VVG muss der Rücktritt begründet werden.
Rz. 434
Die Erklärung des Versicherers muss unzweideutig als Rücktritt zu verstehen sein (zur Möglichkeit der Umdeutung einer Anfechtungserklärung in eine Rücktrittserklärung siehe Rdn 464). Darüber hinaus muss aus der Rücktrittserklärung eindeutig hervorgehen, auf welchen Versicherungsvertrag sich der Rücktritt bezieht. Soweit von zwei Versicherungen, die sachlich miteinander verbunden sind, eine unabhängig von der anderen fortbestehen kann, muss in der Rücktrittserklärung klargestellt werden, ob sich die Rücktrittserklärung auf beide Versicherungen bezieht oder nur auf eine von beiden.
Rz. 435
Gemäß § 21 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 VVG darf der Versicherer nachträglich weitere Umstände zur Begründung seiner Rücktrittserklärung angeben, "wenn für diese die Frist nach Satz 1" noch nicht verstrichen ist. Fraglich ist, worauf sich das Wort "diese" in diesem Satz bezieht. Einerseits ließe sich vertreten, das Wort "diese" bezieht sich auf die Erklärung des Versicherers. Der letzte Halbsatz in § 21 Abs. 1 VVG wäre danach wie folgt zu lesen: Der Versicherer kann zur Begründung seiner Rücktrittserklärung weitere Umstände zur Begründung anführen, wenn für die Erklärung des Versicherers die Frist von einem Monat ab Bekanntwerden des ersten Grundes noch nicht abgelaufen ist. Andererseits ließe sich vertreten, das Wort "diese" beziehe sich auf die weiteren Umstände. Der letzte Halbsatz in § 21 Abs. 1 VVG wäre danach wie folgt zu lesen: Der Versicherer kann zur Begründung seiner Rücktrittserklärung weitere Umstände zur Begründung anführen, wenn für die neu bekanntgewordenen Umstände die Monatsfrist noch nicht abgelaufen ist. Nach hier vertretener Auffassung ist die erste Ansicht vorzugswürdig, d.h. die Frist von einem Monat nach Bekanntwerden des ersten Grundes darf zum Zeitpunkt des Nachschiebens von Gründen noch nicht abgelaufen sein. Andernfalls muss der Versicherer seine Rechte aufgrund des neu bekannt gewordenen Grundes erneut ausüben. An die eigenständige Ausübung der Rechte aufgrund des neu bekannt gewordenen Grundes durch den Versicherer werden dabei jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen sein, so dass es in der Praxis letztendlich keinen Unterschied machen dürfte, ob der Versicherer lediglich zu dem bereits ausgeübten Gestaltungsrecht weitere Gründe nachschiebt oder aufgrund neu bekannt gewordener weiterer Gründe erneut sein Gestaltungsrecht ausübt.
Rz. 436
Adressat der Erklärung des Versicherers, mit der dieser seine Rechte nach § 19 VVG ausübt, ist/sind nach den allgemeinen Regeln der Versicherungsnehmer bzw. bei dessen Versterben der/die Rechtsnachfolger; in der privaten Lebensversicherung wären das regelmäßig die Erben. Für die Lebensversicherung ist jedoch eine Abweichung von den allgemeinen Regeln in § 6 Abs. 19 der Musterbedingungen des GDV für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung für den Todesfall getroffen. Danach gilt, sofern der Versicherungsnehmer dem Versicherer keinen anderen Bevollmächtigten benannt hat, nach dem Ableben des Versicherungsnehmers ein Bezugsberechtigter als bevollmächtigt, eine Erklärung des Versicherers zur Geltendmachung der Rechte wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach § 19 VVG entgegenzunehmen. Dies gilt auch im Falle einer Sicherungsabtretung, da trotz der erfolgten Sicherungsabtretung ein etwaiges Bezugsrecht nur im Rang hinter das vereinbarte Sicherungsrecht zurücktritt, im Übrigen aber bestehen bleibt, womit der Bezugsberechtigte weiterhin für die Erklärung des Versicherers empfangsbevollmächtigt ist. Ist auch ein Bezugsberechtigter nicht vorhanden oder kann sein Aufenthalt nicht ermittelt werden, so kann der Versicherer den Inhaber des Versicherungsscheins zur Entgegennahme der Erklärung als bevollmächtigt ansehen. Dies ist rechtlich unbedenklich. Allerdings ist der Versicherer bei einer derartigen Regelung auch verpflichtet, seine Erklärung gegenüber den in den Versicherungsbedingungen genannten Personen abzugeben. Eine Erklärung des Versicherers gegenüber den Erben ist in diesem Fall regelmäßig wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam. Die Klausel ist nach hier vertretener Ansicht dahingehend auszulegen, dass sie nur Anwendung findet, wenn der Versicherungsnehmer gleichzeitig versicherte Person ist, also mit dem Versterben der Versicherungsfall eintritt. Stirbt der ursprüngliche Versicherungsnehmer einer Versicherung auf das Leben einer anderen Person, ist nicht ersichtlich, warum nicht die Erben bzw. anderweitigen Rechtsnachfolger als nunmehrige Versicherungsnehmer Adressat der Erklärung sein sollen, sondern beispielsweise der Bezugsberechtigte, der mangels Eintritts des Versicherungsfalls (noch) keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung erheben kann. Hierfür sprich...