Rz. 623
Bei einem widerruflichen Bezugsrecht erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls (siehe oben Rdn 498). Wird vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht widerrufen. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, kündigt die Versicherung und verlangt Auszahlung des Rückkaufswertes zur Masse, ist hierin der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts zu sehen. Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Lebensversicherungsvertrages, kann er auch dann ein widerrufliches Bezugsrecht jederzeit widerrufen. In beiden Fällen ist allerdings das Eintrittsrecht des Bezugsberechtigten nach § 170 VVG zu beachten. Tritt während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Versicherungsfall ein, erwirbt der Begünstigte den Anspruch auf die Todesfallleistung originär. Der Anspruch auf die Versicherungssumme im Todesfall ist zu keinem Zeitpunkt in das Vermögen des Versicherungsnehmers gelangt. Er ist damit nicht Teil der Insolvenzmasse. Die Erwerbssperre des § 91 Abs. 1 InsO hindert deshalb den Anspruchserwerb des Bezugsberechtigten nicht. Die unentgeltliche Zuwendung eines Bezugsrechts kann aber als mittelbare Zuwendung eine anfechtbare Rechtshandlung darstellen. Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung ist bei einem widerruflichen Bezugsrecht nicht der Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts, sondern der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls.
Rz. 624
Beachte
Bei einer Bezugsrechtsänderung handelt es sich insolvenzrechtlich um mehrere Rechtshandlungen, die isoliert zu betrachten sind. Es erfolgt zunächst eine Aufhebung des bisherigen Bezugsrechts und eine juristische Sekunde später die Einräumung eines neuen Bezugsrechts. Soweit die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO vorliegen, ist in diesem Fall die Einräumung des neuen Bezugsrechts anfechtbar mit der Folge, dass die Versicherungsleistung in den Nachlass fällt.
Rz. 625
Auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ist der Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers zum Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts befugt und zwar auch bei Vorliegen einer unverfallbaren Anwartschaft oder wenn die Direktversicherung auf einer Entgeltumwandlung beruht.
Rz. 626
Dagegen gehören die Rechte und Ansprüche aus einer Lebensversicherung bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers. Dem unwiderruflich Bezugsberechtigten steht ein Aussonderungsrecht zu (§ 47 InsO). Liegt der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts eine Schenkung zugrunde, kommt grundsätzlich eine Anfechtung nach § 134 InsO in Betracht. Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung ist bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht der Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts. Lautet das unwiderrufliche Bezugsrecht auf den Ehegatten, "mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist", ist die unentgeltliche Leistung zum Zeitpunkt der Eheschließung erfolgt.
Rz. 627
Übernimmt der Arbeitnehmer mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis den Versicherungsvertrag, schließen § 2 Abs. 2 S. 5 und 6 BetrAVG die Inanspruchnahme des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten Deckungskapitals aufgrund einer Kündigung nach § 169 Abs. 1 VVG aus. Dieses Verbot einer Kündigung der Versicherung bindet bis zum Eintritt des Versicherungsfalls auch den Insolvenzverwalter.
Rz. 628
Das einem Arbeitnehmer im Rahmen der Direktversicherung eingeräumte sog. eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht soll nach der Rechtsauffassung des BGH bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen unwiderruflich werden. Dem Arbeitnehmer stünden in diesem Fall die Rechte aus dem Vertrag schon vor Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeit zu. Es sei im Rahmen der Auslegung zu prüfen, ob der erkennbare Sinnzusammenhang der Vereinbarung des eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts unter Berücksichtigung der Interessen von Versicherungsnehmer und Versicherer eine vom Wortlautverständnis abweichende Interpretation gebiete. Eine andere Rechtsauffassung vertritt zu dieser Frage das BAG. Nach Ansicht des BAG sei für die Frage, ob im Fall einer insolvenzbedingten Kündigung ein Bezugsrecht widerrufen werden könne, allein die versicherungsvertragliche Rechtslage entscheidend. Entweder sei die gesetzliche Unverfallbarkeit eingetreten oder nicht. Der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei irrelevant. Sei keine Unverfallbarkeit eingetreten, fielen die Rechte aus der Lebensversicherung in das Vermögen des Arbeitgebers und gehörten zur Insolvenzmasse. Seien die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit hingegen erfüllt, könne das Bezugsrecht nicht widerrufen werden. Die R...