Rz. 537
Auslegungsschwierigkeiten entstehen vor allem, wenn die Erklärung nicht durch Nennung des vollständigen Namens und des Geburtsdatums, sondern abstrakt erfolgt. Derartige Formulierungen geben häufig nur unvollständig den Willen des Versicherungsnehmers wieder. Bei der Beratung des Versicherungsnehmers über das Bezugsrecht ist zu prüfen, ob sich sein Inhalt mit dem Willen des Versicherungsnehmers deckt; notfalls sind sie zu ergänzen. Es empfiehlt sich, auch mögliche zukünftige Änderungen der familiären oder beruflichen Situation zu berücksichtigen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Einbeziehung eventueller nichtehelicher Kinder. Für häufig verwendete abstrakte Begriffe können aus der Rechtsprechung Anhaltspunkte für deren Inhalt entnommen werden.
aa) Gesetzliche oder testamentarische Erben
Rz. 538
Bezeichnet der Versicherungsnehmer die Erben als "bezugsberechtigt", erwerben die bezeichneten Personen die Versicherungsleistung nicht als Teil des Nachlasses, sondern als Bezugsberechtigte, die ihr Recht dann im Zweifel auch unabhängig von einer Erbausschlagung behalten sollen.
Rz. 539
Mit der Formulierung "gesetzliche Erben" oder "gesetzl. Erbfolge" ist bezugsberechtigt, wer nach der gesetzlichen Erbfolge, also ohne Testament, Erbe geworden wäre. Ein nichteheliches Kind gehört zu den gesetzlichen Erben – § 1924 Abs. 1 BGB.
Rz. 540
Auch durch den Begriff "Erben laut Testament" wird lediglich die Person des Bezugsberechtigten bezeichnet. Nicht dagegen wird mit dieser Bezeichnung die Bezugsberechtigung an die Erbeinsetzung geknüpft. Die Leistung fällt – wie in allen anderen Fällen – nicht in den Nachlass.
bb) Ehegatte
Rz. 541
Die Benennung der "Ehefrau" als Bezugsberechtigte ist grundsätzlich aus der Sicht des Versicherers derart zu verstehen, dass ein Bezugsrecht für die bei Abschluss des Versicherungsvertrages mit dem Versicherungsnehmer verheiratete Ehefrau begründet und auch nicht durch die Scheidung der Ehe auflösend bedingt ist. Das Gleiche gilt bei Einräumung eines Bezugsrechts an den "verwitweten Ehegatten". Es kommt nicht darauf an, ob zusätzlich der Name der früheren Ehefrau angegeben war oder nicht. Keine Rolle spielt auch, ob der Versicherungsnehmer nach der Scheidung wieder geheiratet hat oder zurzeit des Eintritts des Versicherungsfalls keine gültige Ehe bestand. Die Vorschrift des § 2077 BGB ist nicht analog anwendbar. Das Bezugsrecht aus der Lebensversicherung hängt allein von den dafür im Versicherungsvertrag genannten Bedingungen ab.
Rz. 542
Beachte
Mit dem Scheitern der Ehe kann die Geschäftsgrundlage für das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und seiner ersten Ehefrau und damit der Grund für das Behaltendürfen der Versicherungsleistung wegfallen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn es sich bei der Bezugsrechtseinräumung um eine sog. ehebezogene Zuwendung handelte und der Fortbestand der Ehe dafür die Geschäftsgrundlage war. Gleiches gilt bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, wenn der Fortbestand der Lebensgemeinschaft Geschäftsgrundlage für die Zuwendung war. Die Störung der Geschäftsgrundlage führt gem. § 313 BGB unter Umständen zu einem Anspruch der Erben gegen den früheren Ehepartner bzw. Lebensgefährten auf Auskehrung der vom Versicherer an ihn gezahlten Versicherungssumme gem. §§ 812 ff. BGB. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt nicht vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Lebensversicherung der Absicherung des geschiedenen Ehegatten diente. Die Geschäftsgrundlage für das Bezugsrecht besteht nach der Rechtsprechung beispielsweise fort bei Vorhandensein von Kindern, dem Erfordernis einer Kreditabsicherung, der weiter bestehenden Zahlungsverpflichtung auf den Kredit und der Schmälerung des Unterhaltsanspruchs wegen dieser Rückzahlungsverpflichtung. Die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage sind nach Ansicht des OLG Hamm in der Regel nicht anwendbar, wenn das Bezugsrecht aus der Lebensversicherung nach Scheidung der Ehe über längere Zeit nicht widerrufen worden ist.
Rz. 543
Etwas anderes soll nach der Rechtsprechung gelten, wenn die nicht namentlich bezeichnete erste Ehefrau des Versicherungsnehmers verstorben ist und der Versicherungsnehmer ohne Änderung der Bezugsrechtsregelung wieder geheiratet hat. In diesem Fall ist die durch den Versicherungsnehmer – zu Lebzeiten der ersten Ehefrau – getroffene Bezugsrechtsregelung "Ehefrau" bzw. "Ehegatte" in dem Sinne auszulegen, dass die zum Zeitpunkt des Todes der versicherten Person mit dem Versi...