Rz. 519

Mit Urt. v. 18.6.2003 hat der BGH nunmehr festgestellt, dass bei Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Erlebensfall der Bezugsberechtigte die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich sofort erwirbt. Wem in welchem Umfang ein Bezugsrecht und die daraus folgenden Ansprüche auf die Versicherungsleistungen zustehen, bestimme der Versicherungsnehmer durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Versicherer, die Verfügungscharakter habe. Entscheidend für die Zuordnung der Ansprüche sei daher nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion, sondern der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte Gestaltungswille des Versicherungsnehmers. Dieser richte sich bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht regelmäßig auf einen sofortigen Rechtserwerb, weil nur so der mit dem Verzicht auf den Widerruf verfolgte Zweck erreicht werden könne, die Ansprüche auf die Versicherungsleistungen aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers auszusondern und sie damit dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Diese Grundsätze gelten nach Ansicht des BGH bei der kapitalbildenden (gemischten) Lebensversicherung sowohl für das unwiderrufliche Bezugsrecht für den Todesfall als auch für das unwiderrufliche Bezugsrecht für den Erlebensfall. Einen generellen Vorrang des Bezugsrechts auf den Todesfall vor dem für den Erlebensfall gibt es nach Ansicht des BGH nicht. Unabhängig von möglichen Zwecken einer Lebensversicherung komme es entscheidend darauf an, welche Ausgestaltung der Versicherungsnehmer dem Bezugsrecht in seiner Erklärung gegeben habe. Die Begünstigungserklärung sei in der Regel so zu verstehen, dass das Recht des Bezugsberechtigten sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfassen soll. Der Versicherungsnehmer könne allerdings über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit unterschiedlich verfügen, insbesondere auch das unwiderrufliche Bezugsrecht gegenständlich und zeitlich einschränken. Er könne beispielsweise den Rückkaufswert vom unwiderruflichen Bezugsrecht auf den Erlebensfall ausnehmen und bestimmen, dass der Rückkaufswert nach Kündigung vor Ablauf der Versicherung ihm verbleibe oder dem für den Todesfall Bezugsberechtigten oder einem beliebigen Dritten zustehen solle. Bestehe keine solche Einschränkung, erwerbe der unwiderruflich Bezugsberechtigte für den Erlebensfall sämtliche Ansprüche auf die Versicherungsleistungen ­sofort, also sowohl den Anspruch auf den Rückkaufswert als auch die künftig entstehenden Ansprüche. Dieser Rechtserwerb sei auflösend bedingt durch den vorzeitigen Todesfall.[853] Die Entscheidung des BGH führt aufgrund der notwendigen Auslegung der Bezugsrechtsregelung und der damit verbundenen Unsicherheit für die Lebensversicherer voraussichtlich zu Umsetzungsproblemen in der Praxis.[854]

[853] BGH v. 18.6.2003 – IV ZR 59/02, VersR 2003, 1021, 1022; vgl. auch Langheid/Müller-Frank, NJW 2004, 337, 342 f.
[854] Vgl. zu den Auswirkungen des Urteils Hasse, VersR 2005, 1176 ff., der sich mit typischen Bezugsrechts-Konstruktionen und deren "regelmäßiger" Auslegung befasst.

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