Rz. 484
Die Vorschrift des § 24 VVG bietet dem Versicherer die Möglichkeit, die Lebensversicherung im Falle einer objektiven Gefahrerhöhung zu kündigen.
Rz. 485
Nimmt der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung selbst vor oder gestattet er deren Vornahme durch einen anderen (sog. gewollte Gefahrerhöhung), kann der Versicherer den Vertrag bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers ohne Einhaltung einer Frist kündigen (§ 24 Abs. 1 S. 1 VVG). Bei einfacher Fahrlässigkeit beträgt die Kündigungsfrist einen Monat (§ 24 Abs. 1 S. 2 VVG). Die Beweislast dafür, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, trägt der Versicherungsnehmer. Ebenso trägt der die Beweislast dafür, dass er schuldlos gehandelt hat und dass daher überhaupt kein Kündigungsrecht besteht.
Rz. 486
Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat (sog. nicht gewollte Gefahrerhöhung) und zeigt er die Gefahrerhöhung dem Versicherer an, beträgt die Kündigungsfrist des Versicherers einen Monat (§§ 24 Abs. 2 i.V.m. 23 Abs. 2 VVG). Das Kündigungsrecht des Versicherers wegen einer Gefahrerhöhung erlischt gem. § 24 Abs. 3 VVG, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung ausgeübt wird oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestand.
Rz. 487
Beachte
Im Bereich der Lebensversicherung sind die Regelungen zur Gefahrerhöhung weitestgehend ohne Bedeutung. Aus § 158 VVG folgt eine weitgehende Einschränkung der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Gefahrerhöhung. Als Erhöhung der Gefahr gilt danach nur eine solche Änderung der Gefahrumstände, die nach ausdrücklicher Vereinbarung als Gefahrerhöhung angesehen werden soll, wobei die Vereinbarung der Textform bedarf. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift der Tatsache Rechnung getragen, dass der Versicherer in der Lebensversicherung für die Laufzeit des Vertrages nach ihrem Inhalt gerade das Risiko des nachträglichen Eintritts von Faktoren übernimmt, die einen vorzeitigen Tod des Versicherungsnehmers zur Folge haben können. Hieraus folgt, dass im Regelfall keine Kündigungsmöglichkeit für Gefahrerhöhungen nach Abschluss des Versicherungsvertrages besteht. Eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, dass bestimmte Umstände als Gefahrerhöhung gelten, findet sich weder in den Musterbedingungen, noch ist sie in einem anderen Kontext üblich. Es besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit von Individualvereinbarungen.
Rz. 488
Beachte
Bei nachträglichen Vertragsänderungen, die zu einer Erhöhung des versicherten Risikos führen, sind §§ 19 ff. VVG anwendbar; die Vorschriften über die Gefahrerhöhung sind nicht einschlägig.
Rz. 489
Rechtsfolge der Kündigung gem. § 24 VVG ist die Beendigung des Lebensversicherungsvertrages für die Zukunft. Hinsichtlich der Prämie gilt § 39 Abs. 1 VVG. Der Versicherer hat gem. §§ 169 Abs. 1, 153 Abs. 1 VVG den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile zu erstatten.
Rz. 490
Beachte
Aus der bloßen Kündigung gem. § 24 VVG folgt noch keine Leistungsfreiheit des Versicherers für die Vergangenheit. Wie sich aus § 26 VVG ergibt, kommt eine solche nur bei vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit zum Unterlassen von Gefahrerhöhungen in Betracht. Bei einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Das nach dem alten VVG geltende "Alles-oder-Nichts-Prinzip" im Falle der groben Fahrlässigkeit wird somit durch eine Quotenregelung abgelöst. Die Beweislast für das Vorliegen vom Vorsatz liegt beim Versicherer, die Beweislast für das Nichtvorliegen der groben Fahrlässigkeit liegt beim Versicherungsnehmer.
Unterlässt der Versicherungsnehmer die Anzeige der Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 VVG entfällt die Leistungspflicht des Versicherers bei vorsätzlicher Verletzung der Anzeigepflicht, wenn der Versicherungsfall später als einem Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen. Dies gilt nicht, wenn dem Versicherer die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen ist. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht ist der Versicherer wiederum lediglich berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Der Versicherer ist auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Obliegenheit zum Unterlassen von Gefahrerhöhungen bzw. der Obliegenheit zur Anzeige von Gefahrerhöhungen zur vollen Leistung verpflichtet, wenn die Gefahrerhöhung für den Eintritt des Versicherungsfalls oder dem Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich ist (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG). Gleiches gilt, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist des Versicherers zur Kündigung abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt war (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG).
Rz. 491
Gemäß § 158 Abs. 2 VVG kann der Versicherer ...