Rz. 260
Mit der Neuregelung in § 153 VVG wird das erste Mal ein zivilrechtlicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf Überschussbeteiligung begründet.
Rz. 261
Der Neuregelung vorausgegangen war ein Urteil des BVerfG v. 26.7.2005. Das BVerfG stellte in diesem Urteil fest, dass die bis dahin geltende Rechtslage für den Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung nicht den verfassungsrechtlichen Schutzanforderungen genüge, die sich aus der in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie und der Garantie des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG ergeben. Es fehlten hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür, dass bei der Berechnung des bei Vertragsende zu zahlenden Schlussüberschusses die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen berücksichtigt würden, die bei den Versicherungsunternehmen mit den gezahlten Prämien gebildet worden seien. Insbesondere gäbe es keine Möglichkeit der Klärung, ob der Schlussüberschuss insbesondere durch die Nichtberücksichtigung stiller Reserven und durch nicht gerechtfertigte Querverrechnungen von Kosten mit positiven Ergebnissen – etwa bei der Risikoentwicklung und den Kapitalanlagen – zu gering festgesetzt worden sei. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.12.2007 eine Regelung zu treffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werde. Bis zur Neuregelung bliebe es bei der bis dahin bestehenden Rechtslage.
Rz. 262
Das Urteil des BVerfG v. 26.7.2005 hat den auf der umstrittenen Geschäftsbesorgungstheorie gestützten verfassungsrechtlichen Bedenken, aus denen heraus der "Kapitalteil" der Lebensversicherung vom "Risikoteil" abzuspalten und wie andere Kapitalanlagen den dafür geltenden Vorschriften unterworfen werden sollte, eine klare Absage erteilt. Die Konzeption des Gesetzes sei die eines einheitlichen Lebensversicherungsvertrags, für den insgesamt das VVG, das VAG und die besonderen Vorschriften des HGB über die Rechnungslegung für Versicherungsunternehmen (§§ 341 ff. HGB) und nicht etwa stattdessen teilweise die Vorschriften des Kapitalanlagerechts gelten. Das gesetzliche Modell der kapitalbildenden Lebensversicherung ist durch das Urteil des BVerfG v. 26.7.2005 damit bestätigt worden.
Rz. 263
Gemäß § 153 VVG in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Beteiligung an dem Überschuss und den Bewertungsreserven zu (Überschussbeteiligung), es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen (§ 153 Abs. 1 VVG). Der Anspruch auf Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass es nicht zulässig ist, dem Versicherungsnehmer zwar einen Anspruch auf Beteiligung am Überschuss, nicht jedoch an den Bewertungsreserven einzuräumen. Zulässig wäre es hingegen, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und damit lediglich in der Ansparphase die Überschussbeteiligung auszuschließen, in der späteren Rentenphase jedoch eine Überschussbeteiligung zu gewähren. Demgegenüber wird es für unzulässig erachtet, zwischen verschiedenen Überschussquellen zu differenzieren. Daher ist es nicht mit § 153 Abs. 1 VVG vereinbar, den Versicherungsnehmer nur an den Überschüssen aus Kapitalanlagen zu beteiligen, die Beteiligung am Risiko- und/oder Kostenüberschuss hingegen auszuschließen. Die Regelung zur Überschussbeteiligung in § 153 VVG gilt seit dem 1.1.2008 auch für Altverträge mit Vertragsschluss bis zum 31.12.2007, sofern bei dem Altvertrag eine Überschussbeteiligung vereinbart ist (Art. 4 Abs. 1 EGVVG). Dabei gelten in Altverträgen wirksam vereinbarte Verteilungsgrundsätze als angemessen (Art. 4 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 EGVVG).
Rz. 264
Die Überschüsse des Versicherers werden im Allgemeinen nach handelsrechtlichen Grundsätzen bestimmt. In welchem Umfang die Versicherungsverträge an dem Überschuss des Versicherers zu beteiligen sind, ist in § 139 VAG i.V.m. der Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (Mindestzuführungsverordnung, MindZV) geregelt.
Rz. 265
Die Verteilung der entstandenen Überschüsse auf die einzelnen Versicherungsverträge hat gem. § 153 Abs. 2 VVG nach einem verursachungsorientierten Verfahren zu erfolgen, wobei es ebenfalls zulässig ist, andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze zu vereinbaren. Der Gesetzgeber stellt in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 153 Abs. 2 VVG ausdrücklich klar, dass mit einer verursachungsorientierten Verteilung keine verursachungsgerechte Verteilung gemeint ist.
Rz. 266
"Verursachungsorientiert" bedeutet, dass die Überschüsse nicht entsprechend der Beteiligung des jeweiligen Einzelvertrags auf jeden Einzelvertrag verteilt werden müssen. Vielmehr ist es ausreichend, dass sich die Überschussbeteiligung des jeweiligen Einzelfalls lediglich daran orientiert, in welchem Umfang der Einzelvertrag zu der Entstehung der Überschüsse beigetragen hat. Entsprechend ist es dem Versicherer – wie bereits vor Inkra...