Rz. 504
Das Bezugsrecht zum Empfang der Versicherungsleistungen aus der Lebensversicherung muss sich nicht auf sämtliche Leistungen aus der Lebensversicherung beziehen und kann auch mehreren Personen ganz oder teilweise eingeräumt werden; weitergehende Einschränkungen z.B. der Höhe nach sind ebenfalls möglich. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, ein Bezugsrecht unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung einzuräumen. In der Praxis hat für die Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall die Unterteilung in ein Bezugsrecht für den Todesfall und ein Bezugsrecht für den Erlebensfall die größte Bedeutung gewonnen. Vor allem bei einer Lebensversicherung auf das eigene Leben ist eine Bestimmung des Versicherungsnehmers üblich, nach der er selbst die Versicherungsleistung erhält, wenn der Erlebensfall eintritt, und eine dritte Person bezugsberechtigt ist, wenn die Versicherungsleistung aufgrund des Eintritts des Todesfalls fällig wird. Sind der Bezugsberechtigte für den Todesfall und derjenige für den Erlebensfall personenverschieden, spricht man von einem sog. geteilten Bezugsrecht.
Rz. 505
Im Rahmen des geteilten Bezugsrechts entsteht ein für die Praxis relevantes Problem, wenn der Versicherungsnehmer die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages erklärt. Es stellt sich die Frage, wem dann der Rückkaufswert der Lebensversicherung zusteht.
Rz. 506
Mit den obigen Ausführungen zur Widerruflichkeit bzw. Unwiderruflichkeit von Bezugsrechten ist die Frage für den Fall unproblematisch zu beantworten, dass der Versicherungsnehmer – wem auch immer – lediglich ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat. In diesem Fall besteht für den Versicherungsnehmer immer die Möglichkeit, die bislang bestehenden Bezugsrechte zu widerrufen und die Auszahlung an sich oder eine beliebige andere Person, also auch an einen der Bezugsberechtigten, zu verlangen. Dabei ist in einer Kündigungserklärung nicht zugleich zwingend auch der konkludente Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts zu sehen. Ob eine Kündigungserklärung zugleich den Widerruf eines Bezugsrechts enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Umstritten ist, ob in der Pfändung einer Versicherungsforderung gleichzeitig der Widerruf des widerruflichen Bezugsrechts gesehen werden kann (siehe dazu Rdn 587).
Rz. 507
Hat der Versicherungsnehmer ein Todesfall- und/oder Erlebensfallbezugsrecht unwiderruflich eingeräumt, fällt die Beantwortung der Frage, wem der Rückkaufswert aus der Lebensversicherung zusteht, nicht mehr so leicht. Das unwiderrufliche Bezugsrecht bedeutet einen sofortigen Rechtserwerb. Das Recht kann dem Bezugsberechtigten nicht mehr einseitig entzogen werden (Ausnahme: Anfechtung oder Zwangsvollstreckung). Infolge des Rückkaufs erlischt allerdings sowohl der Anspruch auf die Leistung für den Todesfall als auch diejenige auf die Leistung im Erlebensfall. Der Rückkaufswert wird jedoch nur einmal fällig.
Rz. 508
In der Literatur und Rechtsprechung wurden hierzu in der Vergangenheit insbesondere folgende vier verschiedenen Auffassungen vertreten: Zum einen wurde vertreten, dass der Rückkauf in jedem Fall dem Erlebensfall zuzuordnen sei. Folglich stehe der Rückkaufswert dem Erlebensfallbezugsberechtigten zu. Demgegenüber sind Teile der Rechtsprechung dieser Auffassung nur dann gefolgt, wenn das Bezugsrecht im Erlebensfall unwiderruflich und das Bezugsrecht im Todesfall widerruflich war. Nur in dieser Konstellation stehe nach Kündigung einer Kapitallebensversicherung durch den Versicherungsnehmer der Rückkaufswert dem unwiderruflich Bezugsberechtigten im Erlebensfall zu. Eine andere Auffassung will für den Fall, dass sowohl das Bezugsrecht im Erlebensfall als auch dasjenige im Todesfall unwiderruflich ausgestaltet ist, den Rückkaufswert immer demjenigen zukommen lassen, dessen Bezugsrecht früher eingeräumt wurde (Prioritätsprinzip). Bei gleichzeitiger Einräumung der unwiderruflichen Bezugsrechte erscheine eine Anspruchsteilung sachgerecht. Schließlich wurde vertreten, dass der Rückkaufswert immer dem Bezugsberechtigten im Todesfall zustehe. Dieses Ergebnis ermögliche eine stringente und folgerichtige Zuordnung des Rückkaufswertes in allen Fällen, in denen die Todesfallansprüche jemand anderem zustehen als die Erlebensfallansprüche.
aa) BGH, Urt. v. 17.2.1966 – II ZR 286/63
Rz. 509
Der BGH hat im Jahr 1966 einen Fall entschieden, in dem ei...