I. Allgemeines
Rz. 131
Auch ein Lebensversicherungsvertrag kann durch Vereinbarung der Vertragsparteien jederzeit geändert werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Abzugrenzen ist eine solche Vertragsänderung von dem Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrages. Entscheidend für die Frage, ob eine Vertragsänderung oder ein Neuabschluss vorliegt, ist der Wille der Vertragsparteien, insbesondere der im Versicherungsantrag zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers.[138] Werden das versicherte Interesse, die Versicherungssumme, die Prämienhöhe oder die Versicherungsdauer im erheblichen Umfang geändert, spricht dies eher für einen Neuabschluss als für eine Vertragsänderung.[139] Allerdings muss wegen der weit reichenden Folgen der Ersetzung des bisherigen Versicherungsschutzes durch einen neuen Versicherungsvertrag ein dahingehender Vertragswille deutlich zum Ausdruck kommen.[140]
Darüber hinaus können einseitige Rechtsänderungen durch den Versicherer oder den Versicherungsnehmer in Betracht kommen sowie Umgestaltungen des Lebensversicherungsvertrages aufgrund eines dem Vertrag bereits innewohnenden Rechts des Versicherungsnehmers (Optionen, Dynamikrecht).
Rz. 132
Beachte
Eine an den Versicherungsnehmer übersandte unzutreffende Mitteilung über den Stand der Versicherung (auch Standmitteilung genannt) begründet keinen Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers bzw. der bezugsberechtigten Person auf Auszahlung des falsch angegebenen (zu hohen) Zeitwertes. Mit einer solchen Standmitteilung will der Versicherer den Versicherungsnehmer nur über den Stand der Versicherungsleistungen informieren und nicht das Vertragsverhältnis ändernde Erklärungen abgeben.[141] Es handelt sich weder um ein abstraktes noch ein kausales Schuldanerkenntnis sondern lediglich um eine Wissenserklärung.[142] Ein Anspruch auf Schadenersatz wegen unrichtiger Auskunftserteilung bleibt unberührt.
Die im Folgenden aufgeführten Rechtsänderungen sind im Bereich der Lebensversicherung von Bedeutung:
II. Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung
Rz. 133
Bei der Möglichkeit der Weiterführung der Versicherung ohne weitere Prämienzahlung handelt es sich um eine Besonderheit der Lebensversicherung (vgl. § 165 VVG).[143]
Rz. 134
Damit der Versicherer nicht zur aufwändigen und – auch für die Versichertengemeinschaft nachteiligen – kostenungünstigen (Fort-)Führung von Kleinstlebensversicherungen verpflichtet ist, kann gem. § 165 Abs. 1 S. 1 VVG vereinbart werden, dass die Umwandlung des Versicherungsvertrages in eine prämienfreie Versicherung nur bei Erreichen einer dafür vereinbarten Mindestversicherungsleistung erfolgt. Wird diese nicht erreicht, erlischt die Versicherung mit Wirksamwerden des Umwandlungsverlangens. Der Versicherer hat den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 168 VVG zu erstatten (§ 165 Abs. 1 S. 2 VVG).[144]
Rz. 135
Die Berechnung der prämienfreien Versicherungsleistung erfolgt gem. § 165 Abs. 2 VVG nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation unter Zugrundelegung des Rückkaufswertes nach § 169 Abs. 3 – 5 VVG.
Rz. 136
Nach §§ 165 Abs. 2 i.V.m. 169 Abs. 5 S. 1 VVG ist der Versicherer bei der Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung zu einem Abzug berechtigt, wenn dieser vereinbart, beziffert und angemessen ist. Die Vereinbarung erfolgt regelmäßig im Rahmen der Versicherungsbedingungen; die Bezifferung erfolgt regelmäßig in Form von Tabellen, die dem Versicherungsnehmer als Bestandteil der Versicherungsurkunde ausgehändigt werden. Bei dem Kriterium der Angemessenheit des vereinbarten Stornoabzugs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Konkretisierung durch die Rechtsprechung im Einzelfall bedarf.[145] Dabei setzt der Gesetzgeber jedoch dadurch Grenzen, dass er die Vereinbarung eines Stornoabzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten in § 169 Abs. 5 S. 2 VVG für unwirksam erklärt.
Rz. 137
Beachte
Ob und unter welchen Voraussetzungen die Wiederaufnahme der Prämienzahlun...
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