Rz. 366
Aufgrund der Regelung in Art. 4 Abs. 2 EGVVG, dass für Altverträge mit Vertragsschluss bis zum 31.12.2007 § 176 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist, muss auch bei dem Stornoabzug zwischen Verträgen mit Vertragsschluss bis zum 31.12.2007 und Verträgen mit Vertragsschluss ab dem 1.1.2008 unterschieden werden. Für Verträge mit Vertragsschluss bis zum 31.12.2007 bleibt es bei der bisherigen Regelung in § 176 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, auf Verträge mit Vertragsschluss ab dem 1.1.2008 findet § 169 Abs. 4 VVG n.F. Anwendung.
Rz. 367
Bis zur Deregulierung des deutschen Versicherungsmarkts mit der Einführung des Europäischen Binnenmarkts für Versicherungen im Jahr 1994 war ein Versicherer gem. §§ 173, 176 Abs. 1, 3 VVG a.F. zu einem angemessen Abzug von der Prämienreserve berechtigt. Soweit in den Versicherungsbedingungen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde ein bestimmter Abzugsbetrag festgesetzt war, galt dieser gem. § 176 Abs. 4 S. 1 VVG a.F. als angemessen. Die Versicherungsbedingungen verwiesen hinsichtlich des Stornoabzugs wiederum auf den genehmigten Geschäftsplan, so dass der im Geschäftsplan vorgesehene Abzug immer angemessen i.S.d. § 176 Abs. 4 S. 1 VVG a.F. war.
Rz. 368
Mit der Deregulierung der Versicherungsaufsicht im Jahr 1994 durch das Dritte Durchführungsgesetz/EWG zum VAG erhielt die Bestimmung zum Stornoabzug in § 176 Abs. 4 VVG a.F. die nachfolgende Fassung:
Zitat
"Der Versicherer ist zu einem Abzug berechtigt, wenn er vereinbart und angemessen ist."
Die gesetzliche Fiktion, dass der in den Versicherungsbedingungen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde festgesetzte Stornoabzug angemessen ist, entfiel mit der Deregulierung der Versicherungsaufsicht. In § 6 Abs. 3 S. 2 Musterbedingungen des GDV für die kapitalbildende Lebensversicherung (ALB 94) wurde der Rückkaufswert daher dahingehend geregelt, dass der Rückkaufswert nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung berechnet wird, "wobei ein als angemessen angesehener Abzug in Höhe von … erfolgt."
Rz. 369
Der BGH hat mit Urt. v. 9.5.2001 festgestellt, dass die vorstehend genannte Regelung der Musterbedingungen des GDV wegen Intransparenz unwirksam ist. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne die Regelung über den Abzug von einem Rückkaufswert oder einer beitragsfreien Versicherungssumme nicht verstehen, wenn ihm die Regelung der entsprechenden Ausgangswerte selbst nicht verständlich sei. Deshalb erfasse die Unwirksamkeit der Regelung zur Höhe des Rückkaufswertes und der beitragsfreien Versicherungssumme auch die Klausel zum Stornoabzug.
Rz. 370
Welche Rechtsfolgen sich aus der Unwirksamkeit der Regelung zum Stornoabzug ergeben, hat der BGH in seinen Urteilen vom 9.5.2001 zunächst offengelassen. Da § 176 Abs. 4 VVG den Versicherer nur dann zu einem Stornoabzug berechtigt, wenn dieser vereinbart ist, musste die Unwirksamkeit der Regelung zum Stornoabzug für den Versicherer jedoch bedeuten, dass der Versicherer nicht zur Erhebung eines Stornoabzugs berechtigt ist.
Rz. 371
Auch die Anpassung der durch den BGH für unwirksam erklärten Versicherungsbedingungen an die Urteile des BGH vom 9.5.2001 im Wege des Treuhänderverfahrens nach § 172 Abs. 2 VVG führte nicht zur Wirksamkeit der Regelung des Stornoabzugs in § 6 Abs. 3 S. 2 ALB 94. Denn der BGH erklärte mit Urteilen vom 12.10.2005, dass die von den Lebensversicherungsunternehmen durchgeführte Ersetzung der durch die BGH-Urteile vom 9.5.2001 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärten Klauseln durch inhaltsgleiche, transparente Klauseln unwirksam sei. Hinsichtlich des Stornoabzugs fehlt es damit an einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung. Ausgehend von der gesetzlichen Regelung in §§ 174 Abs. 4, 176 Abs. 4 VVG, wonach der Versicherer zu einem Abzug nur berechtigt ist, wenn er vereinbart ist, bedeutet dies, dass mangels eines wirksam vereinbarten Stornoabzugs kein Anspruch des Versicherers auf einen Stornoabzug besteht.
Rz. 372
Nach Veröffentlichung der Urteile des BGH vom 9.5.2001 passten die Lebensversicherer im Sommer/Herbst 2001 ihre Versicherungsbedingungen für Neuvertragsschlüsse an die Urt. des BGH v. 9.5.2001 an. Die neugefasste Klausel zum Stornoabzug in § 9 Abs. 3 der Musterbedingungen des GDV für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung lautete:
Zitat
Ist für den Todesfall eine Leistung vereinbart, werden wir entsprechend § 176 VVG – soweit bereits entstanden – den Rückkaufswert erstatten. Er wird nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss des laufenden Ratenzahlungsabschnitts als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet, wobei ein Abzug in Höhe von … erfolgt.
Rz. 373
Im Jahr 2006 hat der GDV die o.g. Regelung zum Stornoabzug in den Musterbedingungen für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung durch den folgenden Hinweis ergänzt:
Zitat
Mit dem Abzug wird...