Rz. 554
Für die Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus einer Lebensversicherung gelten zunächst die allgemeinen Regeln der §§ 398 ff. BGB. Sie werden ergänzt durch die Versicherungsbedingungen. In § 9 der Musterbedingungen des GDV für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung wird zunächst klargestellt, dass der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten oder verpfänden kann; die Abtretung ist also nicht vertraglich ausgeschlossen. Nach § 9 Abs. 4 der Musterbedingungen des GDV für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung ist eine Abtretung dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie diesem vom bisher Berechtigten in Textform angezeigt wurde; die Bedingung verstößt nicht gegen §§ 307 ff. BGB.
1. Abtretungsvereinbarung und -anzeige
Rz. 555
Daraus folgt, dass die Abtretungsvereinbarung zwar nach den Regeln des BGB grundsätzlich auch formlos geschlossen werden kann, die Abtretung jedoch erst mit der Anzeige in Textform durch den bisher Berechtigten an den Versicherer wirksam wird. Ohne bedingungsgemäße Anzeige ist die Abtretung absolut unwirksam. Die Abtretungsanzeige kann vorweggenommen werden; z.B. kann sie bereits im Versicherungsantrag erklärt sein.
Rz. 556
Bei der Abtretungsanzeige ist darauf zu achten, dass sie durch den bisher Berechtigten erfolgen muss. Erfolgt sie durch jemand anderen, z.B. den Zessionar, muss dieser durch den bisherigen Berechtigten zur Anzeige bevollmächtigt sein. Diesbezüglich gibt es keinen Erfahrungssatz, nach dem der zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages Bevollmächtigte auch für die mit diesem zusammenhängenden Folgegeschäfte wie einer Abtretung bevollmächtigt sein soll. Ob die Vollmacht zur Abtretung und deren Anzeige in einem solchen Fall konkludent erteilt wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln.
Rz. 557
Der Versicherer wird insoweit aus Gründen der Rechtssicherheit eine Originalvollmacht verlangen müssen. Weiterhin muss die Anzeige in Textform gegenüber dem Versicherer erfolgen. Zu beachten ist, dass für nach dem 30.9.2016 abgeschlossene Lebensversicherungsverträge (vgl. Art. 229 § 37 EGBGB) gemäß § 309 Nr. 13 b BGB eine strengere Form als Textform für die Abtretung unwirksam ist. Für die Anzeige in Textform an den Versicherer ist es ausreichend, dass der bisherige Berechtigte dem Versicherer den schriftlichen Abtretungsvertrag übermittelt. Dass der bisherige Berechtigte zusätzlich ein Begleitschreiben unterzeichnet und die Abtretung ausdrücklich anzeigt, ist nicht erforderlich.
Rz. 558
Ein mit der Abtretungsanzeige beauftragter Rechtsanwalt kann sich unter Umständen Ansprüchen aus Anwaltshaftung ausgesetzt sehen, wenn er für die Anzeige nicht während der Geschäftsstunden desselben Tages Sorge trägt, an dem er den Auftrag vom Versicherungsnehmer erhält. Die Wirksamkeit einer nicht bedingungsgemäß angezeigten Abtretung kann auch nicht durch Verzicht des Versicherers auf den Zugang der Abtretungserklärung vor dem Eintritt des Versicherungsfalls herbeigeführt werden.
Rz. 559
Beachte
Besteht an der abgetretenen Forderung ein Bezugsrecht, ist zu unterscheiden: Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht ist der Versicherungsnehmer nicht mehr verfügungsbefugt. Eine Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer ist daher unwirksam. Zwar kann der unwiderrufliche Bezugsberechtigte seine Rechtsposition aufgeben und sich mit einem nachrangigen Bezugsrecht begnügen. Die bloße Mitunterzeichnung der Abtretungserklärung durch den unwiderruflichen Bezugsberechtigten reicht für einen wirksamen Verzicht nicht aus. Da an die Feststellung eines rechtsgeschäftlichen Willens, auf eine Rechtsposition zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen sind, ist im Zweifel von einem fehlenden Verzicht auszugehen. Tritt der Versicherungsnehmer seine Rechte aus einer Lebensversicherung ab, dann liegt darin nicht grundsätzlich schon der konkludente Widerruf von etwaigen Bezugsrechten. Es ist daher darauf zu achten, dass gegenüber dem Versicherer mit der Abtretungsanzeige etwaige Bezugsrechte widerrufen werden. Üblich ist die Formulierung, dass etwaige Bezugsrechte für die Dauer der Abtretung widerrufen werden, insoweit sie den Rechten des Zessionars entgegenstehen. Eine derartige Formulierung bewirkt jedenfalls im Rahmen einer Sicherungsabtretung nach der Rechtsprechung keinen Widerruf, sondern nur eine Einschränkung dahingehend, dass die bestehenden Bezugsrechte hinter den vereinbarten Sicherungszweck zugunsten des Zessionars zurücktreten (sog. Rangrücktritt). Der Versicherungsnehmer kann das Bezugsrecht des Dritten nicht nur nachträglich durch den vorstehend beschriebenen eingeschränkten Widerruf, sondern auch bei Abschluss des Versicherungsvertrages so ausgestalten, dass es von vornherein gegenüber einer schon erfolgten oder n...