Rz. 146
Da sich der Bedarf des Versicherungsnehmers an Alters- und Hinterbliebenenversorgung, aber auch an Versicherungsschutz für den Fall der Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsversicherung während der Laufzeit der Versicherung erheblich ändern kann, räumen die Versicherer dem Versicherungsnehmer im Rahmen der Versicherungsbedingungen häufig Möglichkeiten ein, die Versicherung umzugestalten bzw. neuen oder weiteren Versicherungsschutz – ohne erneute Gesundheitsprüfung – zu erhalten.
Rz. 147
So wird dem Versicherungsnehmer bei Vereinbarung einer sog. Dynamik (auch automatische Beitragsanpassung genannt) im Rahmen von besonderen Bedingungen die Möglichkeit eingeräumt, ohne Gesundheitsprüfung entsprechend einem vorher vereinbarten Steigerungssatz eine Prämien- und Leistungserhöhung zu erreichen. Dabei wird meist der Weg gewählt, dass der Versicherungsnehmer bei Antragstellung erklärt, mit allen zukünftigen Prämienerhöhungen einverstanden zu sein. Er kann zu einem vereinbarten Zeitpunkt (z.B. bis zum Ende des ersten Monats nach dem Erhöhungstermin) der Prämienerhöhung jedoch widersprechen. In diesem Fall oder bei Nichtzahlung der ersten erhöhten Prämie innerhalb eines bestimmten Zeitraums entfällt die Erhöhung rückwirkend. Macht der Versicherungsnehmer von der Erhöhungsmöglichkeit zu einer bestimmten Anzahl von aufeinander folgenden Erhöhungsterminen keinen Gebrauch, erlischt üblicherweise das Recht des Versicherungsnehmers auf weitere Erhöhungen.
Rz. 148
Beachte
Eine in Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Prämien und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung enthaltene Regelung, dass bei eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung das Recht auf Erhöhungen mit Eintritt der Berufsunfähigkeit erlischt, verstößt nach der Rechtsprechung nicht gegen das AGB-Recht. Ist das Vorliegen von Berufsunfähigkeit streitig und fertigt der Versicherer vor endgültiger gerichtlicher Klärung weiterhin jährliche Versicherungsnachträge mit planmäßigen Erhöhungen unter Bezugnahme auf seine Bedingungen aus, so stehen diese Erklärungen des Versicherers unter dem Vorbehalt, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt.
Rz. 149
Teilweise räumen die Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss auch sog. Optionen auf Erhöhung der Versicherungsleistung innerhalb eines vorher vereinbarten Zeitraums und Umfangs durch Abschluss neuer Versicherungen ein (sog. Nachversicherungsgarantie). Der Unterschied zum ohnehin jederzeit möglichen Abschluss neuer Versicherungen besteht darin, dass die Annahme durch den Versicherer in dem vereinbarten Rahmen nur vom Willen des Versicherungsnehmers abhängig ist und keiner weiteren Gesundheitsprüfung mit dem Risiko der Antragsablehnung bedarf. Die Ausübung der Option kann nach einer bestimmten Anzahl von Versicherungsjahren von dem Eintritt gewisser Ereignisse, die einen erhöhten Bedarf des Versicherungsnehmers nahelegen, wie z.B. Heirat und Scheidung, Geburt eines Kindes oder Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, abhängig gemacht werden.
Rz. 150
Im Rahmen der sog. Risiko-Umtausch-Versicherung ist der Versicherungsnehmer bedingungsgemäß berechtigt, seine Risikoversicherung in eine kapitalbildende Lebensversicherung bis zur gleichen Summenhöhe umzutauschen. Auf diese Weise kann sich der Versicherungsnehmer eine preiswerte Hinterbliebenenversorgung mit einer bloßen Anwartschaft auf späteren Hinzuerwerb der Altersversorgung beschaffen.
Rz. 151
In allen diesen Fällen räumt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Rahmen der in den Versicherungsbedingungen festgelegten Grenzen ein einseitiges Gestaltungsrecht zur Umgestaltung des Vertrages bzw. zu weiteren Neuabschlüssen ein. Es besteht jedoch teilweise Uneinigkeit darüber, in welchen Fällen es sich um Vertragsänderungen eines ursprünglich abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages handelt oder um den Abschluss eines neuen Lebensversicherungsvertrages; große praktische Relevanz hatte diese Frage in der Vergangenheit jedoch nicht.
Rz. 152
Zukünftig dürfte die Frage, ob eine Vertragsänderung oder ein Neuvertragsschluss vorliegt, insbesondere für die Frage von Bedeutung sein, ob eine erneute Beratungs- und Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers besteht. Denn die Verpflichtung des Versicherungsvermittlers zur Beratung des Versicherungsnehmers gem. §§ 59 ff. VVG besteht ausschließlich bei einem Neuvertragsabschluss. Für die Beratungspflicht des Versicherers dürfte die Abgrenzung eines Neuvertragsschlusses von einer Vertragsänderung demgegenüber keine Rolle spielen, da die Beratungspflicht des Versicherers sowohl bei einem Neuvertragsschluss als auch während der Dauer eines Versicherungsverhältnisses besteht (vgl. § 6 Abs. 4 VVG).
Rz. 153
Für die Frage, ob und in welchem Umfang der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei einer Vertragsänderung erneut die Informationen nach § 7 VVG mitzuteilen hat, dürfte es nach hier vertretener Ansicht ebenfalls nicht auf die...