Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 6
Auch zwischen Lebensgefährten sind zivilrechtlich selbstverständlich wirksame vertragliche Gestaltungen denkbar. Leben zwei Personen in intakter und stabiler nichtehelicher Lebensgemeinschaft, so liegt es nicht selten nahe, dass sie sich gegenseitig bei der Gewinnung ihrer Lebensgrundlage absprechen. Auch kann es vorkommen, dass der eine Lebensgefährte den anderen anstellt oder ihm Räume vermietet. Derartige vertragliche Gestaltungen können (auch) durch die Erwägung veranlasst sein, ein bestehendes Einkommensgefälle zwischen den Lebensgefährten zu nivellieren und damit die Progressionswirkung durch eine Herbeiführung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ehegattensplittings (§ 32a Abs. 5 EStG) abzumildern. Es stellt sich mithin die Frage, ob die von der Rechtsprechung und Finanzverwaltung entwickelten Grundsätze zur Anerkennung von Angehörigenverträgen auch auf Vereinbarungen zwischen Lebensgefährten angewandt werden müssen.
Rz. 7
Die Rechtsprechung hat die Grundsätze zur Anerkennung von Angehörigenverträgen im Hinblick auf Ehegattenverträge und Verträge zwischen Eltern und ihren Kindern entwickelt. Sie überträgt diese Grundsätze für Verträge unter in intakter Ehe oder Familie lebenden Personen zwar nicht generell auf andere einander persönlich oder wirtschaftlich nahestehende Personen. Sie prüft aber dann, wenn Anhaltspunkte für eine Interessengleichheit bestehen, die steuerrechtliche Anerkennung von Vereinbarungen solcher Personen am gleichen Maßstab wie Ehegattenverträge. So hat der X. Senat in einem Urt. v. 22.4.1998 entschieden, dass die zu Verträgen unter nahen Angehörigen entwickelten Grundsätze bei Verlobten jedenfalls dann anwendbar sind, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine private Veranlassung sprechen. In einem Beschl. v. 20.11.2002 hat derselbe Senat unter Bestätigung seiner Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass im Einzelfall auch bei Vereinbarungen unter Geschiedenen, ebenso wie unter einander gänzlich Fremden, der natürliche Interessengegensatz fehlen kann. Zu entscheiden war über eine lebenslängliche Versorgungszusage eines Unternehmers an seine geschiedene 32 Jahre alte Ehefrau, die weniger als ein Jahr im Betrieb mitgearbeitet hatte. In einem solchen Fall seien die Vereinbarungen darauf zu prüfen, ob sie eindeutig und zivilrechtlich wirksam vereinbart, ernsthaft gewollt sind und einem Fremdvergleich standhalten. Die Frage, ob die Grundsätze über die steuerrechtliche Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen auch auf Verträge zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten anzuwenden sind, hatte der Senat nicht zu entscheiden, weil sie als abstrakte Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.
Rz. 8
In einem Urt. v. 5.12.1985 hatte der IV. Senat darüber zu entscheiden, ob ein selbstständiger Ingenieur "Gehalt" für Arbeitsleistungen seiner Lebensgefährtin in seinem Büro aufgrund eines Arbeitsvertrages als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) steuermindernd geltend machen konnte. Er überwies das "Gehalt" auf sein eigenes privates Bankkonto. Von diesem Konto überwies er seiner Lebensgefährtin monatliche Beträge zwischen 200 und 800 DM, die unter dem vertraglich geschuldeten Lohn lagen. Der Senat stellte sich auf den Standpunkt, dass die von der Rechtsprechung für die Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres auf Lebensgefährten-Arbeitsverträge angewandt werden könnten. Letztlich konnte die Übertragung der Angehörigengrundsätze offen bleiben, weil die Überweisung auf das eigene Bankkonto einerseits als Entnahme zu qualifizieren war und andererseits angesichts ihrer schwankenden und hinter dem Vereinbarten zurückbleibenden Höhe nicht nachgewiesen war, dass die Überweisungen von diesem Konto an die Lebensgefährtin Gegenleistung für deren Arbeitsleistungen waren.
Rz. 9
Knapp zweieinhalb Jahre später musste der Senat im Urt. v. 14.4.1988 "Farbe bekennen". Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Einzelkaufmann stellte seine Lebensgefährtin ganztägig zu einem Monatsgehalt in seinem Betrieb ein. Sie zahlte in zwei Tranchen insgesamt etwa 10.700 DM als zinsloses Darlehen auf sein betriebliches Bankkonto ein. Man vereinbarte nach der zweiten Einzahlung, dass sich die Frau mit dem eingezahlten Geldbetrag am Unternehmen als typische stille Gesellschafterin beteilige. Ihr Anteil am Gewinn des Unternehmens sollte 25 % betragen, eine Beteiligung am Verlust wurde ausgeschlossen. In den drei Jahren vor Vertragsschluss hatte der Durchschnittsgewinn des Unternehmens 43.000 DM betragen. Die Verzinsung des eingelegten Kapitals der Frau betrug damit im Zeitpunkt der Begründung der Gesellschaftsbeteiligung rund 10.700 DM, also etwa 100 %. Das Finanzamt hielt diese Gewinnverteilungsvereinbarung für rechtsmissbräuchlich. Unter Zugrundelegung der Angehörigenrechtsprechung ließ es die Gewinnanteile der Frau nur in Höhe von 25 % beim Mann zum Abzug als Betriebsausgaben zu.
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