I. Sachverständigenkosten
1. Gutachten bestätigt ursprünglichen Vorwurf nicht
Rz. 27
Bestätigt sich der ursprünglich erhobene Vorwurf einer Trunkenheitsfahrt nicht, können dem Angeklagten die Kosten für die Einholung eines entsprechenden Gutachtens auch dann nicht auferlegt werden, wenn er wegen anderer Delikte verurteilt wird (LG Hildesheim NZV 2010, 48).
2. Jugendliche
Rz. 28
Im Strafverfahren gegen Jugendliche kann nach dem JGG grundsätzlich davon abgesehen werden, ihnen die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Im Bußgeldverfahren gibt es eine entsprechende Regelung zwar nicht, aber auch hier kann z.B. davon abgesehen werden, ihnen die bei der Bußgeldbehörde angefallenen Kosten aufzuerlegen (AG München zfs 2009, 596).
3. Ohne vorherigen Hinweis eingeholtes Gutachten
Rz. 29
In einer OWi-Sache stellt die Einholung eines erfahrungsgemäß kostspieligen Sachverständigengutachtens ohne vorherige Benachrichtigung des Betroffenen eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 8 Abs. 1 GKG dar, so dass die hierfür angefallenen Kosten niedergeschlagen werden müssen (LG Freiburg zfs 1993, 385; LG Baden-Baden zfs 1994, 263; AG Zschopau zfs 1994, 422).
4. Zu weit reichendes Gutachten
Rz. 30
Die Polizei darf nur ein Gutachten in Auftrag geben, das den vermuteten Mangel untersucht. Soll es sich z.B. um eine zu laute und vermutlich nicht genehmigungsfähige Auspuffanlage handeln, stellt es eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 107 Abs. 4 OWiG dar, wenn ein Auftrag dahingehend erteilt wird, das Fahrzeug generell hinsichtlich seiner Verkehrssicherheit und Betriebserlaubnis zu untersuchen. Deshalb müssen die dadurch entstehenden Mehrkosten gem. § 107 Abs. 4 OWiG i.V.m. den jeweiligen landesrechtlichen Kostengesetzen niedergeschlagen werden (AG Viechtach DAR 2008, 223).
5. Anthropologisches Gutachten
Rz. 31
Zu den maximal zulässigen Kosten bzw. den Stundensätzen eines anthropologischen Gutachtens (LG Berlin DAR 2011, 417).
6. MPU-Gutachten
Rz. 32
Der Betroffene muss selbst im Falle eines positiven Gutachtens die Kosten der MPU tragen (VG des Saarlandes zfs 1995, 118). Nach der am 1.1.1999 in Kraft getretenen Reform des StVG muss er sogar die Kosten für die einzelnen, im Zusammenhang mit Führerscheinmaßnahmen angeordneten Amtshandlungen, wie Prüfungen, Abnahmen, Begutachtungen und Untersuchungen, tragen, und zwar selbst dann, wenn die Amtshandlung nicht aus von der jeweiligen Stelle zu vertretenden Gründen und ohne genügende Entschuldigung des Probanden unterblieben ist oder abgebrochen werden musste (§ 6a Abs. 4 StVG; OVG Lüneburg DAR 2017, 416). Voraussetzung ist allerdings, dass die Anordnung des Gutachtens rechtmäßig war (VGH Mannheim NZV 2017, 147).
7. Privat eingeholtes Gutachten
Rz. 33
Die Kosten eines privat eingeholten Sachverständigengutachtens werden dem Angeklagten (Betroffenen) - außer wenn der Sachverständige ordnungsgemäß nach § 220 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt und ein Beschluss nach § 220 Abs. 3 StPO herbeigeführt worden war - auch im Falle des Freispruches nur in seltenen Ausnahmefällen gem. § 464a Abs. 2 StPO ersetzt (OLG Düsseldorf StraFo 1997, 351).
Die Kosten des privat eingeholten Gutachtens können allerdings dann der Staatskasse auferlegt werden, wenn sich dieses Gutachten erheblich zugunsten des Betroffenen ausgewirkt hat (LG Aachen NZV 2018, 480) oder das Verfahren eingestellt wurde, wobei es nach Auffassung des LG Wuppertal (NZV 2019, 157; DAR 2019, 477) nicht darauf ankommt, ob das Gutachten Grund für die Einstellung war.
Rz. 34
Tipp: Kostentragungspflicht des Rechtsschutzversicherers
Zur Kostentragungspflicht des Rechtsschutzversicherers siehe nachfolgendes Kapitel zur Rechtsschutzversicherung (vgl. § 15 Rdn 35 ff.).
II. Aktenübersendung
Rz. 35
Die Aktenübersendung an den Verteidiger darf vor Rechtskraft der Entscheidung nicht von der Zahlung der Kostenpauschale abhängig gemacht werden (AG Soest DAR 1995, 177; LG Tübingen AnwBl 1995, 569).
Rz. 36
Kostenschuldner der zurzeit 12 EUR betragenden Kostenpauschale, die für jede Aktenübersendung erhoben wird, ist der die Akten anfordernde Verteidiger (BVerfG NJW 1995, 3177) und nicht der Beschuldigte, wie das AG Bielefeld (AnwBl 1995, 571) meint.
Dabei können die Kosten für die Rücksendung (hier umfangreicher Akten) als Auslagen des Anwalts neben der Postentgeltpauschale nach VV 7002 RVG erstattungsfähig sein (BVerwG zfs 2015, 107).
Rz. 37
Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Anwalt diese Kosten letztendlich selbst tragen muss. Sie sind auch nicht Teil der Portokosten und der allgemeinen Geschäftskosten (AG Fürstenfeldbruck AnwBl 1997, 47), so dass der Anwalt einen entsprechenden Erstattungsanspruch einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer (OLG Bamberg zfs 2009, 466; BVerwG zfs 2010, 467; BGH zfs 2011, 402) gegen seinen Mandanten hat.
Rz. 38
Achtung: Portokosten oder Freiumschlag
Der Anwalt kann die Aktenversendungspauschale nicht um die Portokosten mindern, die ihm für die Rücksendung der Akte entstehen, er hat auch keinen Anspruch auf Übermittlung eines Freiumschlages (OLG Koblenz DAR 2006, 297; OLG Hamm DAR 2006, 298).
Rz. 39
Nach Auffassung des LG Frankfurt (NJW 1995, 2801) ist übrigens die Kostenpauschale auch dann angefallen, wenn die Akte lediglich in das anwaltschaftliche Gerichtsfach eingelegt wird (LG Frankfu...