1. Nichteröffnung des Verfahrens
Rz. 12
Die Entscheidung über die Nichteröffnung des Verfahrens ist eine die Untersuchung einstellende Entscheidung i.S.d. § 464 Abs. 1 StPO und muss deshalb eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen enthalten (OLG München StraFo 1997, 191).
2. Freispruch
Rz. 13
Wird der Angeklagte freigesprochen, hat die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen zu tragen. Davon darf selbst dann nicht abgesehen werden, wenn der Freispruch mangels Nachweises der Fahrereigenschaft erfolgt und der Angeklagte sich weigerte, den wahren Fahrer preiszugeben (LG Münster zfs 2001, 566). Nach zutreffender Auffassung muss die Staatskasse selbst dann die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen tragen, wenn dies nicht ausdrücklich im Urteilstenor erwähnt ist (OLG Düsseldorf zfs 1995, 32; LG Stendal zfs 1995, 149).
Rz. 14
Allerdings wird vereinzelt auch die Auffassung vertreten, dass in solchen Fällen mangels einer entsprechenden Kostengrundentscheidung die notwendigen Auslagen nicht festgesetzt werden könnten.
Rz. 15
Achtung: Sofortige Beschwerde
Hier hilft meist eine (wegen der insoweit regelmäßig unterbliebenen Belehrung noch nicht verfristete) mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundene sofortige Beschwerde (OLG Köln StraFo 1997, 285), wohingegen das OLG Karlsruhe (AGS 1997, 87) in solchen Fällen ein Verschulden annimmt und die Wiedereinsetzung deshalb nicht gewährt.
Rz. 16
Tipp: Informationsreisen zum Verteidiger
Der freigesprochene Angeklagte erhält eine Entschädigung auch für die Zeitversäumnisse, die durch notwendige Informationsreisen zum Verteidiger angefallen sind (OLG Zweibrücken StraFo 1996, 612; OLG Hamm zfs 1997, 228).
Rz. 17
Achtung: Kosten eines zweiten - auswärtigen - Wahlverteidigers
In Verkehrssachen legt der Betroffene wegen der Verschiedenheit von Wohn- und Gerichtsort häufig auf einen zweiten Verteidiger Wert. Dessen Kosten bekommt er aber auch nicht im Falle eines Freispruchs erstattet, denn es ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO die Erstattung der Kosten für mehrere Wahlverteidiger auf die Kosten beschränkt, die bei der Vertretung durch einen Verteidiger angefallen wären (BVerfG NZV 2004, 649; LG Kassel NZV 2008, 420).
3. Verspäteter Vortrag oder Beweisantrag
Rz. 18
Bringt der Betroffene entlastende Umstände ohne ersichtlichen Grund erst verspätet vor, können ihm selbst im Falle eines Freispruches die dadurch entstandenen Verfahrenskosten auferlegt und kann von der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse gem. § 109a Abs. 2 OWiG abgesehen werden.
Zuerst ist jedoch immer zu prüfen, ob überhaupt eine Verspätung im Sinne des § 109a OWiG vorgelegen hat (AG Aschaffenburg zfs 1996, 350 mit umfassender Anmerkung von Madert).
Zwar ist die Regelung verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (BVerfG NZV 2014, 95), in solchen Fällen kann es allerdings bereits gegen die Verfassung verstoßen, wenn auch nur die notwendigen Auslagen von der Erstattung ausgenommen werden (BVerfG NJW 1994, 1855).
Dies gilt grundsätzlich auch für Bagatellbußgeldsachen (LG Aachen NZV 2019, 267).
Rz. 19
Im Übrigen sind entlastende Umstände im Sinn des § 109a Abs. 2 OWiG nur solche, die in der Sphäre des Betroffenen liegen, der Bußgeldbehörde unbekannt geblieben und ihr auch nicht ohne weiteres zugänglich sind (BVerfG NZV 2014, 95).
Deshalb darf von einer Überbürdung der dem Betroffenen entstandenen Auslagen auf die Staatskasse dann nicht abgesehen werden, wenn der Betroffene zwar spät auf eine maßgebliche Tatsache hinweist, es sich dabei aber nicht um einen der Sphäre des Betroffenen alleine zuzurechnenden Umstand handelt und die Behörde die entlastenden Fakten auch ohne Zutun des Betroffenen hätte ermitteln können (AG Leverkusen zfs 1997, 308; AG Langen zfs 2000, 265; AG Hanau zfs 2007, 536) bzw. der Betroffene seinen Einspruch mit dem Hinweis auf bereits aus der Ermittlungsakte ersichtliche Tatsachen begründet hat (AG Kusel zfs 2001, 479; AG Aschaffenburg DAR 2002, 136).
Rz. 20
Achtung: Schutz eines nahen Angehörigen
Bei der Anwendung des § 109a OWiG ist sein Normzweck zu beachten, der alleine darin besteht, Missbräuchen vorzubeugen. Er ist deshalb nur einschlägig, wenn ein nicht rechtzeitiges Vorbringen missbräuchlich oder unlauter ist, nicht jedoch, wenn ein vernünftiger und billigenswerter Grund für das Verhalten des Betroffenen bestand, wie z.B. dass er einen nahen Angehörigen vor der Verfolgung schützen wollte (LG Zweibrücken NZV 2007, 431; BVerfG NZV 2014, 95) oder er seine Fahrereigenschaft bestritten, einen Verantwortlichen aber zu keinem Zeitpunkt genannt hat (LG Cottbus NZV 2007, 536).
4. Einstellung in der Hauptverhandlung nach § 47 Abs. 2 S. 1 OWiG
Rz. 21
Die Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1, 4 StPO i.V.m. § 46 OWiG trifft das Gericht im Einstellungsbeschluss. Weder der Einstellungsbeschluss selbst noch die darin enthaltene Kostenentscheidung kann angefochten werden (LG Gera NZV 2003, 436; OLG Dresden NZV 2006, 447). Dabei kann nur in Extremfällen die Begründung für die Ableh...