Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 72
Die Antwort auf die Frage, ob die Anwaltssoftware ausreichend "vertrauenswürdig" ist, um sich auf deren Angaben verlassen zu können, wird sicher vom Einzelfall abhängen.
Rz. 73
Das BVerfG sieht dies zumindest beim Heraussuchen einer gerichtlichen Fax-Nummer nicht so, ohne dies aber zu begründen. Das BVerfG in seiner Entscheidung wortwörtlich:
Zitat
"Die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin durfte sich weder darauf verlassen, dass die Verfassungsbeschwerde am Verfahren mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs teilnimmt, noch darauf, dass die in ihrer Kanzleisoftware eingespeicherten Telefaxnummern zutreffend sind."
Rz. 74
Der BGH jedoch zum Thema:
Zitat
"Zur Ermittlung der Faxnummer eines Gerichts darf sich ein Anwalt auf ein bewährtes Softwareprogramm in der jeweils neuesten Fassung verlassen.""
Rz. 75
Voraussetzung war hier aber:
▪ |
Verwendung eines seit Jahren bewährtes Softwareprogramms |
▪ |
in der jeweils neuesten Fassung |
Rz. 76
So auch schon der BGH 2004:
Zitat
"Zur Ermittlung der Faxnummer eines Gerichts darf sich der Rechtsanwalt auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung in der Regel verlassen. Eine organisatorische Anweisung des Anwalts an seine Bürokraft, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, ist grundsätzlich nicht erforderlich."
Rz. 77
Kein Vertrauensschutz besteht also, wenn die UpDates "nicht gefahren" werden. Voraussetzung dürfte m.E. aber auch sein, dass eine regelmäßige Kontrolle der automatisierten Vorgänge via Software keine Fehler gezeigt haben und dies auch entsprechend vorgetragen und eidesstattlich versichert werden kann.
Rz. 78
Was die Überprüfung der automatisierten Eingangsbestätigung mittels Anwaltssoftware betrifft, so ist hier bisher Rechtsprechung nicht bekannt, die es für ausreichend hält, wenn allein anhand der Anwaltssoftware die Überprüfung des rechtzeitigen und wirksamen Eingangs eines fristgebundenen Schriftsatzes erfolgt. Im Gegenteil. Das VG Aachen vertritt die Auffassung, dass es schuldhaft nicht der gebotenen anwaltlichen Sorgfalt entspricht, den Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes über die beA-Schnittstelle einer Software vorzunehmen, ohne eine weitere Ausgangskontrolle durchzuführen. In dieser Frage kann daher nur empfohlen werden, die Eingangsbestätigung anhand der Weboberfläche des beA zu prüfen, bis es zu dieser Frage belastbare Rechtsprechung des BGH gibt. Leser sollten daher insbesondere auch mit dem Hersteller der von ihnen verwendeten Software klären, ob und ggf. in welchem Umfang eine Haftungsübernahme erfolgt, wenn es zu fehlerhaften "Positivbestätigungen" durch die Software kommt und man sich hierauf verlässt. Nach unserer Kenntnis wird i.d.R. eine Haftung hierfür nicht übernommen, wobei die Verfasser naturgemäß nicht sämtliche Verträge sämtlicher Hersteller kennen bzw. kennen könnten. So hat denn auch das VG Aachen 2022 entschieden, dass in den Fällen, in denen ein Softwarehersteller ausdrücklich darauf hinweist, dass eine genaue Überprüfung des Versendungsstatuts per Schnittstelle mit dieser Software nicht möglich ist und der Nutzer daher stets im Postausgang des beA nachsehen solle, ob der Versand erfolgreich war, und diese Überprüfung nicht erfolgt, diese Unterlassung schuldhaft nicht der gebotenen anwaltlichen Sorgfalt entspricht.