Rz. 123

Zwischen der Ehegestaltung und dem Erwerbsnachteil muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (eindeutige Kausalität).

Im ersten Schritt muss festgestellt werden, dass überhaupt ein Nachteil im oben dargelegten Sinne eingetreten ist.
Danach muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob dieser Nachteil ehebedingt ist oder allein auf persönliche Umstände der Unterhaltsberechtigten zurückzuführen sind ("persönliches Pech").
Im letzteren Fall können die eingetretenen Nachteile nicht zur Begründung herangezogen werden, eine Begrenzung oder Befristung nach § 1578b BGB zu verhindern!
 

Rz. 124

Für die Ehebedingtheit des Nachteils ist erforderlich, dass die Umstände, die zu dem unterschiedlichen Einkommen führen, Folgen des Lebenszuschnitts der Ehegatten während der Ehe – also aufgrund der Rollenverteilung und der vereinbarten Aufgabenverteilung in der geschiedenen Ehe sind (Kausalität).[157]

 

Rz. 125

 

Praxistipp:

Ein Zusammenhang zwischen einer Berufspause während der Ehe und späteren beruflichen Nachteilen ist i.d.R. dann gegeben, wenn der Ehegatte dadurch gehindert war,

an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen,
andere berufliche Qualifizierungsmöglichkeiten zu nutzen oder
seine sonst konkret gegebenen beruflichen Entwicklungspotentiale zu nutzen ("Karriere").

Bei einer aus persönlichen Gründen erfolgten Beendigung der Erwerbstätigkeit kann sich aber aus späteren, mit der Ehe zusammenhängenden Umständen eine Ehebedingtheit ergeben.[158]

[158] BGH FamRZ 2014, 1007 = NJW 2014, 1807 mit Anm. Hoppenz = MDR 2014, 592, OLG Hamm FamRZ 2016, 64.

a) Die Vergleichsperson der "fiktiven kinderlosen Ledigen"

 

Rz. 126

Um den individuellen ehebedingten Nachteil festzustellen, muss eine hypothetische Erwerbsbiographie der Unterhaltsberechtigten erstellt werden. Es muss also konkret dargelegt werden, wie die berufliche Entwicklung der Unterhaltsberechtigten in einem fiktiven Leben als ledige und kinderlose Erwerbstätige verlaufen wäre.

 

Rz. 127

 

Praxistipp:

Abzustellen ist auf das – fiktive – Leben einer erwerbstätigen, ledigen Frau. Die Ehe mit ihren konkreten Lebensumständen muss dagegen weggedacht werden.
Damit spielt hier auch der eheliche Lebensstandard, der vom höheren Einkommen des Ehemannes abgeleitet ist, keine Rolle!
Der Unterhaltsanspruch der kranken Ehefrau gewährt ihr daher nur den Lebensstandard einer kranken ledigen Frau, sichert aber nicht den Standard einer geschiedenen gesunden Frau!
Beim Krankheitsunterhalt kann folglich nur auf das Einkommen abgestellt werden, das die Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und Kindererziehung im Falle ihrer Krankheit zur Verfügung hätte.[159]
Ihr Bedarf entspricht der – fiktiven – Erwerbsunfähigkeitsrente, die sie bei ununterbrochener Erwerbstätigkeit aufgrund ihrer erkrankungsbedingten Erwerbsunfähigkeit erzielen würde.
Auch im Rahmen des Altersunterhalts bestimmt sich der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach § 1578b BGB regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte.[160]
Ist der Unterhaltsberechtigte bereits Rentner, kann lediglich auf das Renteneinkommen aus einer solchen Erwerbstätigkeit abgestellt werden, wobei von der tatsächlichen Rente nach durchgeführtem Versorgungsausgleich auszugehen ist.[161]
[160] BGH NJW 2010, 3097 = FamRZ 2010, 1633 mit Anm. Borth.
[161] BGH NJW 2011, 1807 mit Anm. Born = FamRZ 2011, 875 = FuR 2011, 390.

b) Wegfall des Berufsbildes

 

Rz. 128

Es gibt Fallgestaltungen, in denen die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau zwar wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen will, in ihrem erlernten und früher ausgeübten Beruf aber nicht mehr Fuß fassen kann wegen Wegfalls dieses Berufsbildes.

 

Rz. 129

 

Praxistipp:

Bei "weggefallenen Berufsbildern" ist für die erforderliche plausible Darlegung der Unterhaltsberechtigten hilfreich, nach Kolleginnen zu forschen, die mit der gleichen Ausbildung im Betrieb verblieben sind.
Auf deren vergleichbare konkrete berufliche Entwicklung aus einem noch aktiven Berufsleben kann durchaus rückgeschlossen werden[162] mit dem Argument, die Ehefrau im konkreten Verfahren hätte dies auch geschafft.
[162] Vgl. zum Hinweis auf vergleichbare berufliche Entwicklungen bei der Karriere BGH v. 13.3.2013 – XII ZB 650/11, NJW 2013, 1738 = FamRZ 2013, 935; BGH v. 20.2.2013 – XII ZR 148/10, NJW 2013, 1444 = FamRZ 2013, 860.

c) Beispiele für Nachteile, die nicht ehebedingt sind

 

Rz. 130

Kein ehebedingter Nachteil ist folglich gegeben,

wenn für die Arbeitsplatzaufgabe Gründe maßgeblich waren, die keinen Bezug zur Ehegestaltung haben, wie etwa betriebs- oder krankheitsbedingte Kündigungen,[163] Arbeitslosigkeit aus konjunkturellen Gründen, wegen Arbeitsmangel, Insolvenz[164]
wenn eine zur Erwerbsunfähigkeit führende Erkrankung durch zu Unrecht erlittene Haft ausgelöst wird,[165]
wenn der Nachteil aus dem bereits vorehelich ...

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