Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 314
Bei den gebotenen Abwägungen sind die Belange eines gemeinschaftlichen Kindes, das von dem geschiedenen, in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten betreut wird, durch die "Kinderschutzklausel" im Einleitungssatz des § 1579 BGB zu wahren.
Rz. 315
Bei der Billigkeitsabwägung im Einzelfall sind die Kindesbelange zu wahren und die Kindesbetreuung ist besonders zu berücksichtigen. Dabei sind nicht nur bereits in der Vergangenheit erbrachte Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen, sondern auch Zeiten für noch in der Zukunft zu erbringende Betreuungsleistungen. Allerdings ist hier nicht auf den Zeitrahmen des durch die Unterhaltsrechtsreform abgelösten Altersphasenmodells abzustellen, sondern die Neuregelung des § 1570 BGB zur Kindesbetreuung.
Rz. 316
Folglich muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit der eheangemessene Unterhalt auf das zur Kindesbetreuung erforderliche Maß reduziert werden kann oder inwieweit der betreuende Elternteil – beispielsweise nach dem dritten Lebensjahr des Kindes – durch eine Teilzeiterwerbstätigkeit zum eigenen Unterhalt beitragen kann. Es kommt also auch der frühere Beginn einer Erwerbsobliegenheit in Betracht. Zu prüfen ist konkret, ob eine Verwirkung des Betreuungsunterhalts nach den weiteren Lebensumständen der Antragsgegnerin unmittelbare negative Auswirkungen auf die Lebensumstände des gemeinsamen Kindes haben würde.
Rz. 317
Die Kindesbelange und die Betreuung gemeinschaftlicher Kinder durch den Unterhaltsberechtigten verhindert also nicht generell eine Beschränkung des Unterhalts. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Ehegatte, der Ehegattenunterhalt verlangt, über ausreichende eigene Einkünfte verfügt, um seinen Mindestbedarf selbst zu decken. Die Pflege und Erziehung der Kinder ist dann gesichert, wenn die dem betreuenden Ehegatten verbleibenden Mittel das Maß übersteigen, was er zur Deckung seines Mindestbedarfs benötigt.
Rz. 318
Soweit Elterngeld bezogen wird, das zwar nach § 11 Satz 1 BEEG grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben hat, ist dieses in den Fällen der §§ 1361 Abs. 3, 1579 BGB. als Einkommen einzubeziehen.
Rz. 319
Die Belange eines gemeinsamen Kindes sind aber bereits dann gewahrt i.S.v. § 1579 BGB, wenn die dazu erforderlichen Mittel von anderer Seite erlangt werden können, etwa von dem leistungsfähigen nichtehelichen Partner, in Form von Sachleistungen oder sonstigen Vorteilen aus dem Zusammenleben. Während freiwillige Leistungen eines neuen Partners zwar den Unterhaltsbedarf zunächst nicht mindern, sind sie also im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB gleichwohl zu berücksichtigen. Lebt also die Kindesmutter bereits mit ihrem neuen Partner in einer Haushaltsgemeinschaft, so kommt daher auch die Anrechnung einer (fiktiven) Vergütung für haushälterische Versorgungsleistungen in Betracht. Voraussetzung für die mögliche Anrechnung von fiktivem Entgelt für Versorgungsleistungen ist die Leistungsfähigkeit des Partners. Diese ist nicht gegeben, wenn dieser wegen der Unterhaltszahlungen an seine getrennt lebende Ehefrau und der weiteren durch die Trennung begründeten eigenen finanziellen Belastungen nicht in der Lage ist, für die etwaigen Haushaltsführungsleistungen finanziell Unterstützung zu gewähren.
Rz. 320
Die Interessen der gemeinsamen Kinder sind auch dann nicht berührt, wenn sie im Haushalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten gelebt haben. Bei der Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Ehegatte, der Ehegattenunterhalt verlangt, keinerlei Kindesunterhalt gezahlt hat.