Rz. 303

Der Härtegrund nach § 1579 Nr. 7 BGB basiert auf der Widersprüchlichkeit des Verhaltens der Unterhaltsberechtigten, die sich zum einen aus der ehelichen Bindung löst, zum anderen aber die eheliche Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren einfordert, ohne seinerseits das Prinzip der Gegenseitigkeit zu wahren.[496]

 

Rz. 304

Ein Ehebruch führt als solcher noch nicht ohne weiteres zum Ausschluss oder zur Herabsetzung des Unterhalts nach § 1579 BGB.[497] Bei einem solchen Fehlverhalten[498] ist zusätzlich erforderlich, dass das Fehlverhalten eindeutig beim Berechtigten liegt.[499]

OLG Saarbrücken v. 23.3.2021 – 6 UF 136/20 m.w.N.[500]

Zitat

Der entscheidende Gesichtspunkt für die Annahme eines Härtegrundes im Sinne von § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Nr. 7 BGB liegt in der Widersprüchlichkeit des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten, der sich zum einen aus der ehelichen Bindung löst, zum anderen aber die eheliche Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren einfordert, ohne seinerseits den Grundsatz der Gegenseitigkeit zu wahren. Dieses Prinzip wird verletzt, wenn der Unterhaltsberechtigte sich gegen den Willen seines Ehegatten einem anderen Partner zuwendet und jenem die dem Ehegatten geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteilwerden lässt. Daher genügt ein "Ausbruch" aus der Ehe als solcher noch nicht; vielmehr muss jene Abkehr von der Ehe regelmäßig in Form der Begründung einer eheähnlichen – wenn auch noch nicht notwendigerweise verfestigten – Gemeinschaft, der Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses oder der Aufnahme intimer Beziehungen zu ständig wechselnden Partnern – oder zum selben Partner in unterbrochenen, kurzen Zeitabständen – erfolgen, die jeweils die Bewertung rechtfertigen muss, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten auf Unterhalt grob unbillig erscheint. Dabei ist wesentlich, ob das Verhalten des Berechtigten für das Scheitern der Ehe ursächlich war.

 

Rz. 305

Dementsprechend hat der BGH einen Härtegrund (erst) bei Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses angenommen, wenn darin die Ursache für das Scheitern der Ehe lag. Die Unterhaltsberechtigte trägt dabei die negative Darlegungslast für die Behauptung der noch bestehenden Intaktheit der Ehe.[501]

 

Rz. 306

Das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes wurde als Härtegrund i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB angesehen.[502]

 

Rz. 307

 

Praxistipp:

Verschweigt die Ehefrau ihrem Ehemann, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, kann dies

zu einem vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen[503]
eine Anfechtung einer schenkungsweisen Zuwendung wegen arglistiger Täuschung begründen.[504]
[496] BGH FamRZ 2011, 791 m. Anm. Norpoth, FamRZ 2011, 873 = NJW 2011, 1582 m. Anm. Maurer = FuR 2011, 392.
[497] BGH NJW 2012 1443 = FamRZ 2012, 779 mit Anm. Löhnig; dazu Wever, FamRZ 2012, 1601.
[498] BGH FamRZ 1983, 670; BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174.
[499] BGH NJW 2012 1443 = FamRZ 2012, 779 m. Anm. Löhnig; dazu Wever, FamRZ 2012, 1601.
[500] OLG Saarbrücken NJW 2021, 3537 mit Anm. Born.
[501] BGH NJW 2012, 1443 = FamRZ 2012, 779 m. Anm. Löhnig; dazu Wever, FamRZ 2012, 1601; BGH FamRZ 2008, 1414 Rn 22 m.w.N.; BGH FamRZ 1983, 670.
[502] BGH NJW 2012, 1443 = FamRZ 2012, 779 m. Anm. Löhnig; OLG Hamm v. 9.3.2015 – 8 UF 41/14, FuR 2016, 421; siehe auch OLG Hamm FamRZ 2017, 724.
[503] BGH 21.3.2012 – XII ZB 147/10 NJW 2012, 1446 = FamRZ 2012, 845, dazu Wever, FamRZ 2012, 1601; OLG Köln v. 15.2.2013 – 4 UF 226/12, FamFR 2013, 278, OLG Hamm v. 9.3.2015 – 8 UF 41/14, FuR 2016, 421, OLG Hamm v. 9.3.2015 – II-8 UF 53/14, 8 UF 53/14.
[504] BGH v. 27.6.2012 – XII ZR 47/09, NJW 2012, 2728 = FamRZ 2012, 1363; dazu Wever, FamRZ 2012, 1601.

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