Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 242
Das Gericht kann in seiner Entscheidung eine Prognose ausdrücklich ablehnen bzw. verweigern. Dies muss aber in der Entscheidung ausreichend deutlich erkennbar sein. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die die Umstände, die zu einer Befristung führen, soweit feststehen müssen, dass eine sichere Prognose möglich ist. Ist dies nicht der Fall, weil die Verhältnisse noch nicht abschließend geklärt sind, kann über eine Befristung zum aktuellen Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht entschieden werden.
Rz. 243
Wenn sich aber aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, dass die Frage einer künftigen Befristung vom Gericht nicht abschließend geprüft worden ist, kommt auch dieser Entscheidung nur eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung zu.
Rz. 244
Praxistipp:
Ist also in der Erstentscheidung die Frage der Befristung ausdrücklich offen gelassen worden, ist keine Präklusion eingetreten. Vielmehr besteht in diesen Fällen die Möglichkeit einer neuen, Entscheidung auf der Basis des dann feststellbaren objektiven aktuellen Sachverhaltes ohne Bindung an die Festlegungen im vorangegangenen gerichtlichen Verfahren. § 238 FamFG steht also grundsätzlich nicht entgegen.
Rz. 245
Dazu einige Formulierungsbeispiele aus der Rechtsprechung:
Zitat
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Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs gem. § 1578b BGB scheidet zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Denn es kann derzeit nicht sicher beurteilt werden, ob und wenn ja wie lange die ehebedingten Nachteile noch fortwirken. |
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Der Unterhaltsanspruch ist noch nicht gem. § 1578b BGB zu begrenzen oder zu befristen. … kann derzeit nicht verlässlich beurteilt werden. |
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Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung und/oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach § 1578b BGB sind derzeit noch nicht abschließend feststellbar, …. |
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Der Unterhaltsanspruch ist auch zumindest gegenwärtig nicht gem. § 1578b Abs. 1 BGB herabzusetzen. |
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Ob und gegebenenfalls wann sich der ehebedingte Nachteil in Zukunft vermindern wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Insbesondere kann noch keinerlei zuverlässige Prognose dazu gestellt werden, wie sich die Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin aus ihrem erst seit Januar 2011 betriebenen Ladengeschäft entwickeln werden. Daher kann in diesem Erstverfahren noch keine Entscheidung dazu getroffen werden, ob der Unterhaltsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt herabzusetzen ist. |
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Eine Begrenzung oder Befristung des Unterhaltsanspruches kommt derzeit noch nicht in Betracht. Über eine zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs war derzeit wegen der mangelnden Überschaubarkeit der tatsächlichen Verhältnisse nicht zu entscheiden. |
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Damit liegen gegenwärtig die Voraussetzungen einer Anspruchsbeschränkung – auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der neuen Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2006, 1006) – nicht vor. |
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Eine Befristung des Unterhaltsanspruches nach § 1578b Abs. 2 BGB kommt derzeit nicht in Betracht. |
Rz. 246
BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 448/17
Zitat
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2. Auch wenn eine abschließende Entscheidung über die Folgen des § 1578b BGB noch nicht möglich ist, darf eine Entscheidung darüber nicht vollständig zurückgestellt werden. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB (im Anschluss an Senatsurteil v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, BGHZ 188, 50, FamRZ 2011, 454).
Zwar kann über eine Unterhaltsbefristung oder -herabsetzung erst dann abschließend entschieden werden, wenn die Verhältnisse der Ehegatten wirtschaftlich entflochten sind und sich danach abschätzen lässt, ob ehebedingte Nachteile dauerhaft bestehen oder nicht. Dementsprechend hat es der Senat im Einzelfall gebilligt, wenn die Entscheidung über eine Befristung und Herabsetzung nach § 1578b BGB insoweit hinausgeschoben und einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten wurde. Die Rechtskraft einer Entscheidung, die das spätere Eingreifen der Folgen des § 1578b BGB offen lässt, schließt dann eine künftige Abänderung nicht aus.
Daraus, dass eine abschließende Entscheidung über die Folgen des § 1578b BGB noch nicht möglich ist, folgt aber nicht, dass eine Entscheidung darüber vollständig zurückgestellt werden darf. Vielmehr muss das Gericht insoweit entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist. Das gilt insbesondere für eine bereits mögliche Entscheidung über die Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB. Die materielle Rechtskraft einer solchen Entscheidung und die mit ihr verbundenen Präklusionsfolgen gehen dann nur so weit, als die Entscheidung eine abschließende Beurteilung der gegenwärtigen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände enthält. Eine auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung schließt eine spätere Abänderung insbesondere dann nic...