Rz. 343

Erste Voraussetzung für das Eingreifen des § 1568a BGB ist, dass es sich um eine Ehewohnung handelt. Hier stellt der BGH klar, dass dies nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung zu beurteilen ist. Dabei hängt die Qualifizierung als Ehewohnung bis zur Rechtskraft der Scheidung nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben. Sie behält ihren Charakter als Ehewohnung vielmehr während der gesamten Trennungszeit. Der gegenständliche Schutz der Ehe und Familie erfordert, dass für den gewichenen Ehegatten selbst nach längerer Abwesenheit noch die Möglichkeit besteht, in die Ehewohnung zurückzukehren, falls etwa Belange des Kindeswohls dies erforderlich machen.[560]

Maßgeblich ist hier nach Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls primär das Wohl der in der Wohnung lebenden Kinder. Dabei sind auch volljährige Kinder relevant.[561]

Diesen soll in der schwierigen Phase der Trennung und Scheidung der Eltern ihr bisheriges soziales Umfeld erhalten bleiben.

Während der gesamten Trennungszeit – gleich wie lange diese dauert – können Ansprüche betreffend der Ehewohnung allein nach § 1361b BGB (bzw. verfahrensrechtlich nach den §§ 200 ff. FamFG) geltend gemacht werden. Dies betrifft sowohl die Herausgabe bzw. Überlassung der Wohnung als auch damit verbundene Ansprüche wie die Zahlung einer Nutzungsentschädigung (§ 1361b Abs. 3 BGB). Selbst wenn eine Nutzungsregelung zwischen den Ehegatten ausdrücklich vereinbart worden wäre, kommt ihre Änderung (sofern die Ehegatten dafür keine Sonderregelung getroffen haben) nur unter den Voraussetzungen des § 1361b BGB in Betracht.[562] Der Charakter als Ehewohnung endet damit praktisch erst mit dem Auszug des zunächst verbliebenen Ehegatten aus der Familienwohnung. Allerdings wird die Sperrwirkung des § 1568a BGB durch die Regelung in § 1568a Abs. 6 BGB zeitlich begrenzt.

 

Rz. 344

Sonstige Umstände sind nach Billigkeit ebenfalls in die Abwägung mit aufzunehmen. Diese Umstände sind insbesondere:

Einkommens und Vermögensverhältnisse,
Gesundheitszustand,
Nähe zum Arbeitsplatz,
Sicherstellung der weiteren Betreuung eines Angehörigen,

aber auch der Umstand, dass

einer der Partner in der Wohnung aufgewachsen ist oder
bereits erhebliche Mittel vor Einzug des anderen Ehepartners in die Wohnung investiert hatte.

Diese Umstände spielen vor allen Dingen dann eine Rolle, wenn keine Kinder vorhanden sind.

 

Rz. 345

Eine Abänderung der Wohnungszuweisung ist grds. möglich, wenn nach Rechtskraft der Entscheidung sich die Verhältnisse so wesentlich ändern, dass für den unterlegenen Ehegatte nun eine unzumutbare Härte anzunehmen ist.[563]

[561] Vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2013, 1982 m.w.N.; OLG Hamburg v. 3.8.2016 – 2 UF 42/16, FamRZ 2017, 1048.
[563] OLG Dresden NJW-RR 2005, S. 952: Rückkehr der mittellosen, suizidgefährdeten Frau in die von dem Mann tatsächlich nicht genutzte Wohnung.

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