Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 348
Die Scheidung hat ebenso wie die Trennung der Eheleute keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Mietverhältnisse an der bisherigen Ehewohnung.
Handelt es sich bei der Ehewohnung um eine Mietwohnung, normieren Abs. 3 und Abs. 5 der Vorschrift Regelungen für die Fortführung der Mietverhältnisse und die Begründung von Mietverhältnissen.
Rz. 349
Nach § 1568a Abs. 3 BGB kann ein bestehender Mietvertrag entweder alleine fortgeführt werden oder der andere Ehegatte übernimmt einen Mietvertrag ("tritt ein"). Dies kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen:
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nach Nr. 1 ist bei einer Einigung der Ehegatten die Mitteilung an den Vermieter ausreichend um die Rechtsfolge eintreten zu lassen, |
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sonst tritt die Rechtsfolge nach Nr. 2 durch Entscheidung des Familiengerichts unmittelbar ein. |
Rz. 350
Mit dieser Regelung korrespondiert § 1568a Abs. 5 BGB der genannten Vorschrift. Danach haben sowohl der Vermieter als auch der berechtigte Ehegatte aus der Einigung oder der familiengerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Begründung eines Mietverhältnisses. Dadurch sollen bloße Nutzungsverhältnisse vermieden werden.
Rz. 351
Praxistipp:
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Mit einem Antrag nach § 1568a BGB kann auch eine dem Vermieter ggü. wirksame Regelung der Mietwohnung erlangt werden. |
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Der Anspruch auf Mitwirkung an der Mitteilung über die Überlassung der Ehewohnung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB kann nicht erst ab Rechtkraft der Scheidung, sondern schon während der Trennungszeit geltend gemacht werden. |
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Am gerichtlichen Wohnungszuweisungsverfahren ist der Vermieter zu beteiligen (§ 204 Abs. 1 FamFG). |
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Bei Rechtshängigkeit eines Wohnungszuweisungsantrags ist der Rechtsstreit über die Wohnungsräumung durch das Zivilgericht auszusetzen. |
Rz. 352
BGH, Beschl. v. 10.3.2021 – XII ZB 243/20
Zitat
1. Der aus dem Eigentum folgende Herausgabeanspruch eines Ehegatten ist auch nach Rechtskraft der Scheidung nicht zulässigerweise als sonstige Familiensache im Sinne des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG durchsetzbar, solange der Anwendungsbereich des § 1568a BGB und damit das Ehewohnungsverfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG eröffnet ist.
2. Ob es sich (noch) um eine Ehewohnung im Sinne des § 1568a BGB handelt, ist nach der Situation im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung und nicht bezogen auf den Zeitpunkt der die Wohnung betreffenden Entscheidung zu beurteilen.
3. Der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung gemäß § 1568a Abs. 1 und 2 BGB erlischt ein Jahr nach Rechtskraft der Ehescheidung, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist.
§ 1568a Abs. 5 BGB statuiert darüber hinaus noch besondere Vorschriften für eine Befristung des Mietverhältnisses beziehungsweise für die Festsetzung der Miethöhe, wenn keine Einigung darüber besteht. Besondere Probleme können wie auch bei § 1361b BGB beim Zusammentreffen von Wohnrechten/Wohnwerten und der unterhaltsrechtlichen Regelung entstehen.
Ungeregelt durch § 1568a BGB ist der Fall in dem (rückwirkend) eine Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen ist, weil ein Mietverhältnis nicht begründet wurde.
Rz. 353
Praxistipp:
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Im Rahmen des § 209 Abs. 1 FamFG kann dem weichenden Ehepartner eine Räumungsfrist gewährt werden. |
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Das Gericht hat mit der Endentscheidung die zu ihrer Durchführung erforderlichen Anordnung zu treffen (Entscheidungen hinsichtlich der Räumung, der Herausgabe der Schlüssel, der Gewährung einer Räumungsfrist und der Kostentragung hinsichtlich des Nutzungsentgelts für die Wohnung). |
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Die entsprechenden Anordnungen sind von Amts wegen zu treffen, ohne dass es einer Antragstellung bedarf. |
Wegen des besonderen Charakters von Dienstwohnungen und Werkswohnungen ist nach Abs. 4 eine Übertragung auf den nichtberechtigten Ehegatten nur bei Vorliegen einer schweren Härte oder Zustimmung des Werkswohnungsgebers möglich.
Rz. 354
OLG Hamburg, Beschl. v. 3.8.2016 – 2 UF 42/16
Zitat
1. Gemäß § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte von dem anderen die Überlassung der Ehewohnung verlangen, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere Ehegatte oder die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.
2. Durch den Auszug eines Ehegatten verliert eine Wohnung den Charakter als Ehewohnung nur dann, wenn sich der Auszug als endgültige Aufgabe der Wohnnutzung durch den ausziehenden Ehegatten darstellt.
3. Die Zuweisung der Wohnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der Wohnung um eine Genossenschaftswohnung handelt.
4. Eine Vereinbarung unter den Ehegatten über die Nutzung der Ehewohnung nach der Scheidung hat zwar keine im Wohnungszuweisungsverfahren unmittelbar verbindliche Wirkung. Indes schließt dies nicht aus, entsprechende Vereinbarungen im Rahmen der gem. § 1568a Abs. 1 BGB zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen.