I. Einführung
Rz. 1
Seit dem 1.8.2002 ist das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften in Kraft. Infolge der 2002 eingeführten Möglichkeit der Revision gegen Berufungsurteile der Landgerichte liegt inzwischen eine Fülle von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Sachschaden vor. Zumeist geht es um Kraftfahrzeugschäden. Zugleich sind die Fachzeitschriften voll von Entscheidungen der Oberlandesgerichte, Landgerichte und Amtsgerichte zu diesem Themenbereich. Diese müssen dargestellt werden, soweit es um Einzelaspekte geht, zu denen keine grundsätzlichen Aussagen des Bundesgerichtshofs vorliegen. Dies ist im Bereich der tatrichterlichen Schadensschätzung (§ 287 ZPO) häufig der Fall, da der Bundesgerichtshof insoweit regelmäßig keine strikten Vorgaben macht. Zwischen den Haftpflichtversicherern (zumindest einigen) und der Geschädigtenseite (einschließlich Autovermietern, Sachverständigen und den Anwälten der Geschädigten) kann deshalb vor Gericht erbittert weiter gestritten werden (dazu unten Rdn 29 ff.).
II. Naturalrestitution und Geldersatz, § 249 Abs. 1, 2 BGB
Rz. 2
Hinsichtlich der grundlegenden Voraussetzungen der die Haftungsausfüllung regelnden §§ 249 ff. BGB wird zunächst auf § 12 Rdn 9 ff. verwiesen. Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Rz. 3
Terminologisch ist Folgendes zu beachten: Naturalrestitution ist eigentlich nur die Herstellung in Natur, während der Geldersatzanspruch "statt" der Herstellung besteht. Gleichwohl findet man in zahlreichen Urteilen, in denen es um den Geldersatz geht, Ausführungen zur "Naturalrestitution" bzw. zur (Wieder-)Herstellung. Das liegt daran, dass die Höhe des Geldersatzanspruchs davon abhängt, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, um den im Vermögen des Geschädigten entstandenen Verlust auszugleichen. Das Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist von dem Wahlrecht zwischen "konkreter" und "fiktiver" Abrechnung zu unterscheiden. Darum geht es nur, wenn der Geschädigte sich grundsätzlich dafür entschieden hat, statt der Herstellung in Natur den dafür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen.
Rz. 4
Auch der auf Zahlung gerichtete Anspruch aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB setzt nach Wortlaut und Normzweck voraus, dass eine Naturalrestitution möglich ist. Andernfalls wird Wertersatz nach § 251 Abs. 1 BGB geschuldet.
Rz. 5
Im Detail bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, unter welchen Umständen eine Naturalrestitution rechtlich als möglich anzusehen ist, wenn der beschädigte Gegenstand vor Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs veräußert wird.
Insoweit wird zunächst auf § 12 Rdn 21 verwiesen. Ergänzend ist auszuführen.
Rz. 6
Der V. und der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gehen in früheren Entscheidungen davon aus, dass die Naturalrestitution bei der Beschädigung von Grundstücken nicht möglich ist, wenn das Grundstück veräußert wurde. Allerdings ist diese Ansicht inzwischen dadurch aufgeweicht worden, dass Abweichendes dann gelten soll, wenn der Schadensersatzanspruch an den Erwerber abgetreten wurde, wobei dann allerdings nicht mehr der ursprünglich Geschädigte, wohl aber sein Rechtsnachfolger den Anspruch auf Naturalrestitution soll geltend machen können. Damit ist der vom V. und der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs früher vertretene Standpunkt teilweise aufgegeben und in den meisten Fällen bei der praktischen Abwicklung der Schadensregulierung nur von Bedeutung, wenn die Abtretung an den Einzelrechtsnachfolger nicht bis zum Wirksamwerden der Eigentumsübertragung erfolgt.
Rz. 7
Es erscheint angezeigt, das Abtretungserfordernis aufzugeben und die Rechtsprechung des VI. und des VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, die im Bereich der Schadensersatzhaftung bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen und im Werkvertragsrecht eine Naturalrestitution auch nach Veräußerung der beschädigten Sache bejahen, auf alle Fallgestaltungen zu übertragen. Die dem Geschädigten vom Gesetzgeber eingeräumte Freiheit, über die Sache zu verfügen, wäre beeinträchtigt, wenn der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Herstellungskosten bei Veräußerung der Sache unterginge. Die Veräußerung würde dann zu einer Verkürzung des einmal begründeten Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegenüber dem Schädiger führen, der es zudem in der Hand hätte, die Regulierung hinauszuzögern, bis der Geschädigte die Sache veräußert hat, worauf dieser eventuell angewiesen ist. Auch sonst ist nicht einzusehen, warum der Ersatzanspruch von der Frage der Veräußerung des beschädigten Gegenstandes abhängig sein soll. Bei dem in der Praxis fast ausschließlich geltend gemachten Geldersatzanspruch hat die Frage, was die "Naturalrestitution" kosten würde, lediglich eine kalkulatorische Funktion. Die Schadensregulierung darf zudem nicht zu rein zufälligen Ergebnissen führen, die vom äußeren Zeitablauf abhängen, also etwa davon, ob im Zeitpunkt der Regulierung bzw. des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der gerichtlichen Tatsacheninstanz das Eigentum der beschädigten Sache bereits auf den Erwerber übergegangen ist, was bei Grund...