I. Allgemeines
Rz. 29
Die Abrechnung von Kraftfahrzeugschäden macht die große Masse der Regulierung von Unfallsachschäden aus. Diese werden regelmäßig durch den Pflichthaftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs reguliert (vgl. § 115 VVG: Direktanspruch). Insoweit gelten zunächst die allgemeinen Grundsätze des Schadensrechts, wie sie in § 15 A dargestellt sind. Infolge der 2002 eingeführten Möglichkeit der Revision gegen Berufungsurteile der Landgerichte liegt inzwischen eine Fülle von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Kraftfahrzeugsachschaden vor. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung sollte bei einer seriösen Regulierung von den Beteiligten zu beachten sein. Ob dies im außergerichtlichen Bereich immer der Fall ist, erscheint zweifelhaft. In Zeiten harter Verteilungskämpfe der Haftpflichtversicherer versuchen diese zunehmend, den Geschädigten ihr "Schadensmanagement" nahezubringen, das eine komplikationslose Abwicklung des Schadensfalls durch Einschaltung von Werkstätten verspricht, mit denen der Versicherer kooperiert, wobei eine unaufgeforderte Regulierung der Ansprüche, z.B. Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Wertminderung und Kostenpauschale, ohne gesonderte Geltendmachung und auch Hilfe beim Finden eines Ersatzfahrzeugs versprochen wird.
Rz. 30
Natürlich muss sich der Geschädigte, der nicht Vertragspartner des gegnerischen Versicherers ist, darauf nicht einlassen (anders als der Kasko-Kunde, der zu einem stark rabattierten Werkstattbindungs-Tarif abgeschlossen hat). Das Argument einer reibungslosen Schadensabwicklung wird allerdings viele Geschädigte überzeugen. Es wird befürchtet, dass dadurch die Rechtsanwälte der Geschädigten und unabhängige Kraftfahrzeuggutachter systematisch aus der Schadenregulierung von Verkehrsunfällen herausgedrängt werden. Eine Wettbewerbsklage gegen das Konzept der Allianz-Versicherung ("Fair-Play") hatte allerdings keinen Erfolg. Ein weiteres Problem ist, dass der Bundesgerichtshof nur Grundsätze vorgeben, nicht aber den Gerichten konkrete Auflagen für die Schadensschätzung im Einzelfall machen kann. Dies und die Auslegungsfähigkeit der Grundsätze führt dazu, dass es eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten bei den Instanzgerichten gibt, deren Entscheidungen durchaus in der Tendenz voneinander abweichen können. Hier wird oft mit Zähnen und Klauen um Kleinbeträge gestritten. Im Folgenden kann nicht die gesamte Instanzrechtsprechung dargestellt werden. Die Darstellung muss sich darauf beschränken, die Probleme unter beispielhaftem Verweis auf einzelne Entscheidungen aufzuzeigen. Kritische Einwände in Literatur und Instanzrechtsprechung zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden nachfolgend nur punktuell erwähnt. Es ist ja keine Frage, dass man manches anders machen könnte. Das Massengeschäft der Sachschadensregulierung ist aber als Spielwiese für Dogmatiker denkbar ungeeignet. Aus Anwaltssicht führt an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (und der jeweils zuständigen erst- und zweitinstanzlichen Gerichte) schon aus Haftungsgründen kein Weg vorbei.
II. Fahrzeugschaden
1. Grundsatz
Rz. 31
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines "gleichwertigen" Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte allerdings grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat findet gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht "verdienen". Gelegentlich wird versucht, beim Unfall bereits vorhandene Vorschäden auf Kosten des Unfallgegners bzw. seines Versicherers mit beseitigen zu lassen; der Geschädigte ist, wenn die Gegenseite solches behauptet, grundsätzlich nicht gehindert, auch die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Ferner gilt der Grundsatz der Subjektbezogenheit der Schadensbetrachtung. Diese hat unter anderem zur Folge, dass Erleichterungen für den Geschädigten bei der Schadensbeseitigung dem Schädiger zugutekommen können. So ist dem Geschädigten z.B. bei der konkreten Schadensabrechnung ein Werksangehörigenrabatt anzurechnen. Andererseits muss z.B. auch akzeptiert werden, dass der Geschädigte sein beschädigtes Fahrzeug der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen...