Rz. 42

Agenturgeschäfte (vgl. § 17 Rdn 1 ff.), bei denen der Unternehmer nicht selbst als Verkäufer auftritt, sondern den Verkauf für einen Dritten (Verbraucher) vermittelt, führen dazu, dass die Regeln des Verbrauchgüterkaufs nicht anzuwenden sind, der Verkäufer also insbesondere die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht gegen sich gelten lassen muss und die Sachmängelhaftung ausschließen kann. Ein Aufblühen dieser Vertragsform wurde daher erwartet[115] und ist auch in der Praxis zu beobachten.

 

Rz. 43

Eine systematische Umstellung auf Agenturgeschäfte, insbesondere ohne Rücksicht auf die Interessen des einliefernden Kunden, wäre eine unzulässige Umgehung.[116] Solche konkreten Feststellungen werden sich in der Regel nicht treffen lassen. Eine zusätzliche gesetzliche Bestimmung, dass die Vorschriften des Gebrauchsgüterkaufs auch gelten, wenn der Unternehmer im Auftrag eines Kunden verkauft, wird daher für wünschenswert gehalten.[117]

 

Rz. 44

Agenturgeschäfte sind nicht schlechthin als Umgehungsgeschäfte zu bewerten,[118] Ein Umgehungsgeschäft liegt vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Gebrauchtwagenhändler als der Verkäufer des Fahrzeugs anzusehen ist.[119] Entscheidende Bedeutung kommt hierbei der Frage zu, ob der Händler oder der als Verkäufer in Erscheinung tretende Eigentümer das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs zu tragen hat. Sinnvolle Motive für das Agenturgeschäft können für den Verkäufer die Vermeidung fester Ankaufspreise, die fehlende finanzielle Möglichkeit, einen größeren Gebrauchtwagenstand vorzufinanzieren oder die Begrenzung des Haftungsrisikos im Verhältnis zum Kunden sein, der sein Fahrzeug in Zahlung gibt.[120] Steuerliche Vorteile sind dagegen im Regelfall nicht mehr gegeben.

Bei ordnungsgemäßer transparenter Abwicklung stellt das Agenturgeschäft somit keine Umgehung dar, wenn der private Verkäufer rechtlich und wirtschaftlich die Verkaufsrisiken und -chancen hat.[121] Die Beweislast für ein Vermittlungsgeschäft trägt im Zweifel der Händler, der ein Eigengeschäft bestreitet.[122]

 

Rz. 45

Ein Agenturgeschäft – ebenso ein Verkauf in Vertretung (§ 164 BGB) für eine Privatperson[123] – kann also, muss aber nicht ein unzulässiges Umgehungsgeschäft sein.[124] Mehr oder weniger starke Indizien für einen Umgehungstatbestand sind,

dass der Verkäufer den Pkw tatsächlich bereits angekauft hat, also in Wirklichkeit nicht vermittelt,
dass der Einlieferer über die Konsequenz des Vermittlungsgeschäfts im Unklaren gelassen wurde, insbesondere über die Tatsache, dass nicht der Händler, sondern eine dritte Person Vertragspartner wird oder werden soll (Beispiel: der Händler erklärt dem Einlieferer, der Agenturvertrag habe für beide Vorteile, der Verkäufer erhalte aber auf jeden Fall auch ohne Weiterverkauf spätestens nach drei Wochen seinen Kaufpreis),
dass eine Anzahlung oder Gesamtzahlung des Mindestpreises des Händlers an den Einlieferer erfolgt,[125]
ein Weiterverkauf unter dem mit dem Einlieferer vereinbarten Mindestpreis,
die systematische Werbung mit "Ankauf zu Höchstpreisen" u.Ä., die agenturmäßige Inzahlungnahme ohne Provisionsvereinbarung,
die komplette Abtretung des Kaufpreisanspruchs vom Verkäufer an den "Vermittler" (unschädlich ist dagegen eine Einziehungs- bzw. Inkassoermächtigung),
die Eintragung eines Verwandten des Händlers im Kfz-Brief, der kein Händler ist und Verkäufer sein soll,[126]
die Vereinbarung der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG im Vermittlungsvertrag,[127]
wenn der Vermittler auf seine Rechnung ein Fahrzeug des Käufers in Zahlung nimmt.
 

Rz. 46

 

Praxistipp

Besteht der Verdacht, dass der Händler einen privaten Verkäufer "vorschiebt", empfehlen sich zur Verbesserung der Beweissituation Nachforschungen bezüglich der zuvor genannten Kriterien (vgl. Rdn 45), z.B. durch ein Telefonat mit dem Vorbesitzer oder durch eine weitere Testkaufverhandlung zwecks Feststellung, ob der Händler dieselbe Person auch bei einem weiteren Vertrag als Verkäufer benennt (diese Praxis ist vor allem auf Automärkten zu beobachten).

 

Rz. 47

Ein Finanzierungsleasingvertrag zwischen einem Leasinggeber und Leasingnehmer mit Verbrauchereigenschaft, der im Rahmen der leasingtypischen Abtretungskonstruktion die Abtretung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche des Leasinggebers gegen den Lieferanten der Leasingsache an den Leasingnehmer (ohne den Schutz des Verbrauchsgüterkaufrechts) vorsieht, ist kein Umgehungsgeschäft i.S.d. § 475 Abs. 1 S. 2 BGB.[128] Der Lieferant kann sich auf einen mit dem Leasinggeber vereinbarten Sachmängelhaftungsausschluss berufen, der Leasingnehmer kann seine mietrechtlichen Ansprüche gegen den Leasinggeber geltend machen (vgl. § 23 Rdn 3).

 

Rz. 48

Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 475 Abs. 1 S. 2 BGB ist die Haftung des Verkäufers nach den Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs. Als solcher soll der vermittelnde Händler, nicht der vorgeschobene private Voreigentümer anzusehen sein.[129] Dogmatisch ist dies aber noch ungeklärt.[130] Es wird erwogen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?