I. Testamentsvollstreckung bzgl. aller Miterben
1. Gesetzliches Schuldverhältnis
Rz. 17
Der Testamentsvollstrecker verdrängt die Miterben aus der Verwaltung des ihnen gehörenden Nachlasses und nimmt die Nachlassgegenstände in Besitz. Zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, auf das weitgehend die Auftragsregeln anwendbar sind, § 2218 Abs. 1 BGB. Aus diesem Schuldverhältnis ergeben sich folgende Rechte der Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker: Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses, § 2215 BGB, ordnungsgemäße Nachlassverwaltung, § 2216 BGB, und damit auch ein Anspruch auf Unterlassung ordnungswidriger Amtshandlungen, Überlassung von Gegenständen, die der Testamentsvollstrecker für seine Aufgaben nicht mehr benötigt, § 2217 BGB, Information und Auskunft, §§ 2218 Abs. 1, 666, 2218 Abs. 2 BGB sowie Schadensersatz bei Pflichtverletzung, § 2219 BGB.
Rz. 18
Der Umstand, dass die Miterben als Treuhandbegünstigte zu einer Erbengemeinschaft in Form der Gesamthandsgemeinschaft verbunden sind, führt in ihrem Verhältnis zum Testamentsvollstrecker als Treuhänder dazu, dass dieser die Miterben gleichbehandeln muss. Die gesamthänderische und damit gleichstufige und gleichberechtigte Verbundenheit der einzelnen Miterben wirkt also insofern in deren jeweiliges Rechtsverhältnis zum Testamentsvollstrecker hinein, als die Interessenwahrnehmungspflicht des Treuhänders dahingehend verändert wird, dass er nicht den Interessen des jeweiligen Treugebers optimal zu dienen hat, sondern vielmehr den Interessen der verbundenen Treugeber insgesamt optimal dienen muss, auch wenn dies den Einzelinteressen der miteinander verbundenen Treugeber zuwiderlaufen sollte.
Rz. 19
Grund hierfür ist, dass der Treuhänder lediglich an die Stelle der Miterben als Treugeber tritt (Substitution) und deswegen bzgl. des Verhältnisses der einzelnen Treugeber zueinander den gleichen Maßregeln unterworfen ist, wie es die Treugeber bei Selbstverwaltung des Nachlasses wären. In diesem Fall könnten sich auch nicht ohne weiteres Einzelinteressen gegen die Interessen der anderen Gesamthänder durchsetzen, denn es ist vielfach gemeinschaftliche Verwaltung angeordnet, vgl. etwa §§ 709 Abs. 1, 1421 Abs. 1, 2038 Abs. 1 S. 1 BGB.
Umgekehrt sind auch die Miterben bei der Ausübung ihrer Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker an die Beschränkungen aus der zwischen ihnen bestehenden Gesamthandsgemeinschaft gebunden und können nicht isoliert handeln.
2. Freigabeanspruch der Erben
Rz. 20
Der Testamentsvollstrecker hat Nachlassgegenstände, die er zur Erfüllung seiner ihm vom Erblasser übertragenen Aufgaben nicht benötigt, auf Verlangen den Erben zu überlassen, § 2217 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Freigabe ist eine Verfügung über den Nachlassgegenstand und erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärung des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Erben.
Rz. 21
Wirksamkeitsvoraussetzung dieser Erklärung ist das vorherige Verlangen der Erben. Dabei handelt es sich nach überwiegender Auffassung um eine Verfügung über den betreffenden Nachlassgegenstand. Deshalb kann nicht jeder einzelne Miterbe Freigabe verlangen, sondern nur alle Miterben gemeinsam, § 2040 Abs. 1 BGB. Kommt der Testamentsvollstrecker dem Verlangen nicht nach, so kann er vor dem allgemeinen Zivilgericht verklagt werden; hier gilt § 2039 BGB, so dass ein Miterbe allein diesen Anspruch geltend machen kann. Infolge der Freigabe erlöschen Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Testamentsvollstreckers hinsichtlich der freigegebenen Gegenstände. Diese Rechte stehen vielmehr den Erben gemeinschaftlich zu.
3. Einwilligungspflicht der Erben
Rz. 22
Die Erben sind verpflichtet, in die Eingehung von Verbindlichkeiten durch den Testamentsvollstrecker nach § 2206 Abs. 1 BGB einzuwilligen, § 2206 Abs. 2 BGB. Diese Einwilligung schützt den Testamentsvollstrecker gegen spätere Schadenersatzforderungen der Erben nach § 2219 BGB. Geschäftspartner eines Testamentsvollstreckers werden zu ihrer Sicherheit von ihm verlangen, dass er die Einwilligung der Erben beibringt. Die Einwilligung kann nicht durch einen einzelnen Miterben erteilt werden, sondern nur durch alle Miterben gemeinschaftlich erfolgen.
Rz. 23
Verweigert ein Miterbe die Einwilligung, so kann der Testamentsvollstrecker vor dem allgemeinen Zivilgericht Klage auf Einwilligung erheben; obsiegt der Testamentsvollstrecker, so ersetzt das rechtskräftige Urteil die Einwilligung, § 894 ZPO. Umgekehrt kann übrigens jeder Miterbe den Testamentsvollstrecker auf Unterlassung der Eingehung einer Verbindlichkeit verklagen, die nicht den Maßstäben ordnungsgemäßer Verwaltung genügt.