1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 15

Es gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn einer der Unterhaltstatbestände erfüllt ist (vgl. das Prüfungsschema "Ehegattenunterhalt" in Fall 16, siehe § 3 Rdn 31). Im Fallbeispiel soll ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegeben sein.

2. Bedarf der F1

a) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M

aa) Vorwegabzug des Kindesunterhalts?

(1) Kind aus erster Ehe

 

Rz. 16

Der Unterhalt für K1, der schon die erste Ehe geprägt hat, ist abzuziehen, und zwar in Höhe des Zahlbetrages.

(2) Kind aus der zweiten Beziehung

 

Rz. 17

Die Frage des Vorwegabzugs des Kindesunterhalts für K2, also die Frage, ob dieser Kindesunterhalt sich mindernd auf den Bedarf der F1 auswirkt, hängt davon ab, wann K2 geboren wurde, ob es vor der nach Rechtskraft der Scheidung von M und F1 geboren wurde. Wurde bspw. das Kind während oder gar vor der Trennung von M und F1 geboren, hätte diese Unterhaltspflicht die ehelichen Lebensverhältnisse von M und F1 geprägt. Ein Vorwegabzug hätte zu erfolgen. K2 würde in der Berechnung wie ein eheliches Kind behandelt (vgl. hierzu Fall 21, siehe § 4 Rdn 74).

Das Kind K2 ist im Fallbeispiel nach Rechtskraft der Scheidung der ersten Ehe geboren. Es hat somit die ehelichen Lebensverhältnisse der ersten Ehe nicht geprägt (vgl. hierzu Fall 46, siehe Rdn 1).

 

BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09

Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind nicht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.

Der Kindesunterhalt für K2 ist also bei der Bestimmung des Bedarfs der ersten Ehefrau nicht abzuziehen.

Es erfolgt nur ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts für K1.

Die verbleibenden 2.193,50 EUR (2.500 – 306,50 EUR) fließen dann in die Berechnung des Bedarfs von F1 ein.

Einkommen M nach Abzug des Kindesunterhalts, der die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat: 2.193,50 EUR

Weiter ist das Einkommen, soweit es aus Erwerbstätigkeit (und nicht bspw. Kapital oder aus Vermietung oder aus einer Altersversorgung) erzielt wird, um 1/10 zu kürzen (sog. Erwerbstätigenbonus).

Erwerbstätigenbonus: 2.193,50 EUR × 10 % = 219 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 2.193,50 – 219 EUR = 1.974,50 EUR

bb) Vorwegabzug eines etwaigen Unterhalts für die Mutter des nichtehelichen Kindes?

 

Rz. 18

Dieses Problem stellt sich hier nicht, da das Fallbeispiel davon ausgeht, dass keine Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter des nichtehelichen Kindes K2 besteht.

b) Bedarfsbestimmendes Einkommen der F1

 

Rz. 19

Bereinigtes Nettoeinkommen der F1: 0 EUR

c) Halbteilungsgrundsatz (Grundsatz der gleichen Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen)

 

Rz. 20

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 2.193,50 – 219 EUR = 1.974,50 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen F1: 0 EUR

Gesamtbedarf: 1.974,50 EUR (1.974,50 + 0 EUR)

Bedarf von F1: ½ von 1.974,50 = 987 EUR

3. Ungedeckter Restbedarf (Unterhaltshöhe)

 

Rz. 21

F hat kein Eigeneinkommen und kann den ermittelten Bedarf auch nicht teilweise selbst decken. F hat somit einen ungedeckten Bedarf von 987 EUR.

4. Leistungsfähigkeit des M

 

Rz. 22

M verbleiben nach Abzug des Ehegattenunterhalts und des Kindesunterhalts für K1 1.206,50 EUR (2.500 – 987 – 306,50 EUR).

Sein Ehegattenmindestselbstbehalt (1.280 EUR) wäre nicht gewahrt.

M ist jedoch auch dem Kind K2 zum Unterhalt verpflichtet.

Nach Abzug weiterer 306,50 EUR Kindesunterhalt für K2 verblieben M nur 900 EUR.

Es liegt ein Mangelfall vor.

Der Kindesunterhalt ist vorrangig (vgl. Fall 20, siehe § 4 Rdn 54); er steht in der Rangfolge an erster Stelle.

 

§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter

Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1. minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2.
 

Begründung des Gesetzentwurfes A III 1 a:

"Durch die Änderung der Rangfolge wird zugleich die Verteilungsgerechtigkeit erhöht. Künftig soll der Kindesunterhalt Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Da Kinder keine Möglichkeit haben, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, ist ihnen am wenigsten zuzumuten, die vorhandenen Mittel mit anderen zu teilen und auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen zu sein."

 

Hinweis

An diesem Vorrang ändert selbstverständlich nichts, dass das Kind K2 erst nach Rechtskraft der Scheidung von M und F1 geboren wurde und deshalb bei der Bestimmung des Bedarfs von F1 außer Betracht blieb (vgl. oben).

Resteinkommen des M nach Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts: 1.887 EUR (2.500 – 306,50 – 306,50 EUR).

Verteilbar wären nach Abzug des Ehegattenmindestselbstbehalts nur noch 607 EUR (1.887 – 1.280 EUR).

Für die Ehefrau stünden deshalb nur 607 EUR zur Verfügung.

Der Mindestbedarf von F1 von 960 EUR wäre nicht gewahrt (anders im Fall 46, siehe Rdn 1, in dem F Eigeneinkommen hat).

 

SüdL

15. Unterhaltsbedarf

15.1 Die Bemessung des nachehelichen Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Bedarf des Ehegatten beträgt mindestens 960 EUR.

 

BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08

Die Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mindestbedarf sprechen, gelten in gleicher Weise auch für den gesamten Ehegattenunterhalt. Auch insoweit kann der Bedarf das Existenzminimum nicht unterschreiten. Soweit...

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