Rz. 27
Die Unternehmensbewertung stellt sowohl in der Theorie als auch in der Praxis eine vielschichtige und mit diversen (praktischen wie intellektuellen) Herausforderungen verbundene Materie dar. Dies liegt u.a. daran, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen, teilweise ineinandergreifenden und somit insgesamt recht komplexen Fragestellungen zu beantworten sind. Das beginnt mit der Auswahl der der Bewertung zugrunde zu legenden Prämissen und setzt sich bei der Auswahl der für das jeweilige Unternehmen und den aktuellen Bewertungsanlass geeignetsten Bewertungsmethode fort.
Rz. 28
Beim Wert eines Gutes handelt es sich grundsätzlich um eine subjektive Eigenschaft. Ziel der Bewertung im Rahmen pflichtteilsrechtlicher Auseinandersetzungen ist aber stets der objektivierte Unternehmenswert. Die Bewertung hat daher unter der Voraussetzung finanzieller Ziele zu erfolgen, persönliche Absichten des Erben spielen keine Rolle.
Dessen ungeachtet kann die Bewertung aber unter Zugrundelegung verschiedener Methoden erfolgen. Welche Methode die richtige ist, richtet sich nicht nur nach dem Bewertungsziel (objektivierter Unternehmenswert), sondern auch nach den in die Bewertung miteinzubeziehenden Parametern.
Rz. 29
Die gängigen Bewertungsverfahren der Unternehmensbewertung lassen sich nach Ballwieser systematisch in vier Bewertungsansätze aufgliedern:
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Gesamtbewertungsverfahren, |
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Einzelbewertungsverfahren, |
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Mischverfahren und |
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Überschlagsrechnungen. |
Rz. 30
Die Gesamtbewertungsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass das zu bewertende Unternehmen grundsätzlich als eine Bewertungseinheit angesehen wird. Der Wert wird aus den zukünftig erwarteten finanziellen Überschüssen ermittelt, die auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren sind. Klassische Gesamtbewertungsverfahren sind das Ertragswertverfahren sowie die Discounted Cash Flow-Methode (DCF), also die auch vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) favorisierten Methoden.
Rz. 31
Im Rahmen der Einzelbewertungsverfahren wird der Unternehmenswert hingegen durch die Summe der Werte der Einzelbestandteile des zu bewertenden Unternehmens bestimmt. Diesem Ansatz folgen insbesondere die Substanzwertmethode sowie die Liquidationswertbestimmung.
Rz. 32
Die sog. Überschlagsrechnungen bzw. Multiplikatorverfahren basieren auf empirisch erhobenen Marktdaten. Dies gilt natürlich auch für das Vergleichswertverfahren, bei dem der Unternehmenswertbestimmung die Marktpreise in der Vergangenheit gehandelter Beteiligungen an dem zu bewertenden Unternehmen oder an vergleichbaren Unternehmen zugrunde gelegt werden. Bei Multiplikatorverfahren, die in der M & A-Praxis und gerade auch bei Transaktionen unter Beteiligung von Finanzinvestoren weit verbreitet sind, werden die empirisch festgestellten Unternehmenswerte (respektive Verkaufspreise) anhand von Bezugsgrößen (Umsatz, Gewinn, EBIT, etc.) in (branchen- bzw. größenspezifische) Faktoren umgerechnet bzw. – in gewissem Umfang – verallgemeinert.
Rz. 33
Bei den sog. Mischverfahren kommen sowohl Elemente der Gesamt- als auch der Einzelbewertungsverfahren zur Anwendung. Die Basis bildet im Regelfall der Substanzwert, der dann um Ertragswert-Elemente erweitert wird. Ein solches Mischverfahren stellte z.B. auch das bis Ende 2008 für die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Bewertung von nicht notierten Kapitalgesellschaftsanteilen maßgebliche Stuttgarter Verfahren dar. Gleiches gilt auch für sog. Mittelwertverfahren.
Rz. 34
Ein unter allen Gesichtspunkten zutreffender, objektiv feststellbarer Unternehmenswert ist trotz (oder vielleicht auch wegen) der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Bewertungsansätze praktisch nicht ermittelbar. Von einem redlichen und sachverständigen Bewerter kann daher nicht erwartet werden, dass das Ergebnis seiner Arbeit den einzig wahren, "wirklichen" Unternehmenswert widerspiegelt. Das Ziel der Bewertung ist daher die Bestimmung eines "objektivierter" Unternehmenswerts.