Rz. 124
Um eine Vergleichbarkeit mit anderen, einem möglichen Investor zur Verfügung stehenden Anlagealternativen zu erreichen, müssen die finanziellen Überschüsse des Unternehmens auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Hierfür ist der Kapitalisierungszinssatz eine der entscheidenden Stellschrauben. Umso umstrittener ist seine Bestimmung im Einzelfall.
Rz. 125
Der Kapitalisierungszinssatz entspricht der Rendite, die ein gedachter Investor im Falle der Investition in eine adäquate (also dem bewertungsgegenständlichen Unternehmen in jeder Hinsicht vergleichbare) Alternativanlage erwarten würde. Die Alternativanlage muss den aus dem Unternehmen zu erwartenden Zahlungsströmen hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein.
Unabhängig von der Rechtsform des zu bewertenden Unternehmens ist der Ausgangspunkt für die Bestimmung der anzusetzenden Rendite der Alternativanlage die am Markt beobachtete Rendite einer Anlage in Unternehmensanteile, praktisch also in ein Aktienportfolio. Denn die Möglichkeit der Aktienanlage steht grundsätzlich allen Marktteilnehmern in gleicher Weise offen. Die Rendite des Aktienportfolios wird sodann gedanklich in einen Basiszinssatz und in eine von den Anteilseignern aufgrund der Übernahme unternehmerischer Risiken geforderte Risikoprämie aufgeteilt.
Rz. 126
Im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte wird der Basiszinssatz aus dem landesüblichen Zinssatz einer (quasi-)risikofreien Kapitalmarktanlage abgeleitet. Dabei wird i.d.R. auf langfristig erzielbare Renditen öffentlicher Anleihen abgestellt.
Rz. 127
Bei der Festlegung des Basiszinssatzes ist insbesondere auf die Laufzeitäquivalenz zu achten, also darauf, dass die Geldanlage im zu bewertenden Unternehmen mit einer fristadäquaten alternativen Anlage verglichen wird. Soweit öffentliche Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit am Markt nicht verfügbar sind, sollte der Basiszinssatz ausgehend von aktuellen Zinsstrukturkurven und zeitlich darüber hinausgehenden Prognosen abgeleitet werden. Bei Unternehmen mit einer zeitlich begrenzten Lebensdauer ist ein für diese Frist geltender Zinssatz heranzuziehen.
Rz. 128
Das unternehmerische Risiko wird nach heute wohl einhelliger Meinung durch einen Risikozuschlag zum Basiszinssatz berücksichtigt. Diese Zinszuschlagsmethode hat insbesondere den Vorteil, dass sie bei der Bemessung des Risikozuschlags eine marktorientierte Vorgehensweise erlaubt (vgl. auch Rdn 100). Denn die Ermittlung des im Einzelfall angemessenen Zuschlags basiert hier auf der Analyse vergleichbarer Unternehmen oder der Branche insgesamt. Letztendlich kommt es aber für die Höhe des Risikozuschlags entscheidend auf die konkreten Verhältnisse des zu bewertenden Unternehmens an, und zwar sowohl hinsichtlich seiner operativen Risiken, die aus der Art der betrieblichen Tätigkeit resultieren, als auch hinsichtlich des aus dem Verschuldungsgrad resultierenden Kapitalstrukturrisikos. Die Übernahme am Markt beobachteter Risikoprämie (ohne individuelle Anpassungen) kommt daher nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, wenn sich das zu bewertenden Unternehmen hinsichtlich seiner spezifischen Risikostruktur von der am Markt beobachteter Unternehmen wesentlich unterscheidet.
Rz. 129
Zur Ableitung der Risikoprämien kann auf Kapitalmarktpreisbildungsmodellen (CAPM, TAX-CAPM) zurückgegriffen werden, mit deren Hilfe die Risikoprämien aus den am Kapitalmarkt empirisch ermittelten Aktienrenditen abgeleitet werden. Erfolgt die Unternehmensbewertung ohne unmittelbare Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern, lässt sich die anzunehmende Vorsteuerrendite der Alternativanlage anhand des (einfachen) CAPM ableiten. Sollen hingegen persönliche Ertragsteuern in die Bewertung einfließen, ist das sog. TAX-CAPM anzuwenden, dass die Wirkungen der persönlichen Ertragsteuern entsprechend berücksichtigt.
Vor Berücksichtigung persönlicher Steuern liegen angemessene Marktrisikoprämien in einer Bandbreite von 6,0 % bis 8,0 %, nach Steuern zwischen 5,0 % bis 6,5 %.
Rz. 130
Unabhängig von der Berücksichtigung der persönlichen Steuern wird die Risikoprämie auch von einem unternehmensindividuellen sog. BETA-Faktor beeinflusst. Entspricht im Einzelfall das Risiko des zu bewertenden Unternehmens dem Risiko der Alternativanlage (Aktienportfolio), stimmt die Rendite der Alternativanlage (vor bzw. nach Ertragsteuern) mit dem Kapitalisierungszinssatz (vor bzw. nach Steuern) überein.
Rz. 131
Der BETA-Faktor kann entweder individuell ermittelt oder von Dienstleistern branchenbezogen abgefragt werden. Gerade im letzteren Fall ist die Prognoseeignung des BETA-Faktors im jeweiligen Einzelfall kritisch zu hinterfragen. Hierbei spielen insbesondere die Zukunftsausrichtung, die Datenqualität und die Angemessenheit im Hinblick auf die Kapitalstruktur eine entscheidende Rolle.
Entspricht das individuelle Risikoprofil des bewertungsg...