I. Grundsätzliches
Rz. 165
Die Bewertung kleinerer und mittlerer Betriebe und auch freiberuflicher Praxen bringt einige Sonderprobleme mit, die (auch bzw. gerade) bei Anwendung einer der oben beschriebenen Methoden besondere Berücksichtigung verdienen. Denn bei Ermittlung des Unternehmenswerts anhand des Ertragswertverfahrens oder der DCF-Methode ergeben sich hier oftmals rechnerische Werte, die von der Realität weit entfernt sind und häufig sogar ein Vielfaches der am Markt tatsächlich festzustellenden Verkaufspreise (für in etwa vergleichbare Unternehmen) ausmachen. Dies ist prinzipiell auch von der Rechtsprechung und in der Betriebswirtschaftslehre anerkannt.
Rz. 166
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kommen insbesondere der oftmals fehlenden Trennung von Management und Unternehmenseigentum, der teilweise unklaren Trennung von Betriebs- und Privatvermögen und Besonderheiten bei der Unternehmensfinanzierung bzw. Eigenkapitalausstattung besondere Bedeutung zu.
Rz. 167
Vor diesem Hintergrund hat das IDW im Jahr 2014 die aus seiner Sicht zu beachtenden Besonderheiten bei der Bestimmung des objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen in einem Praxishinweis zusammengefasst. Dabei werden als wesentliche qualitative Unterscheidungsmerkmale folgende Spezifika kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber (nach IDW S 1 typischerweise zu bewertenden) (Groß-)Unternehmen genannt:
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Zusammenfallen von Eigentum und Geschäftsführung |
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Überschneidungen zwischen betrieblicher und privater Sphäre |
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fehlende oder nicht dokumentierte Unternehmensplanung |
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geringe Diversifikation |
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Rechtsformspezifika sowie |
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mangelnde oder eingeschränkte Fungibilität. |
II. Abgrenzung des Unternehmens
Rz. 168
Der exakten Abgrenzung des Bewertungsobjekts (vom übrigen Vermögen des/der Inhaber) kommt bereits bei der Erhebung der für die Bewertung erforderlichen Daten besondere Bedeutung zu. Maßgeblich sind dafür vor allem wirtschaftliche Kriterien. Das Ziel besteht darin, die der der übertragungsgegenständlichen unternehmerischen Einheit innewohnenden Ertragskraft zu erfassen. Allein die rechtliche Eigentumszuordnung spielt insoweit keine entscheidende Rolle (Stichwort: Sonderbetriebsvermögen).
Rz. 169
Bei der Abgrenzung können u.a. steuerliche Sonderbilanzen herangezogen werden, aus denen sich nicht bilanzierte, aber betriebsnotwendige Vermögensgegenstände sowie Schulden ersehen lassen, und die Rückschlüsse auf die aus diesem Vermögen zu erzielenden künftigen finanziellen Überschüsse ermöglichen. Insbesondere Gegenstände des Anlagevermögens (z.B. Patente, Grundstücke etc.) werden häufig im Privatvermögen gehalten. Im Rahmen der Unternehmensbewertung ist daher sicherzustellen, dass diese entweder in die zu bewertende Vermögensmasse eingebracht oder anderweitig, z.B. durch Berechnung von Miet-, Pacht- oder Lizenzzahlungen, berücksichtigt werden. Nicht zuletzt ist auch auf eine klare Trennung betrieblicher und privater Ausgaben zu achten, da sich auch diese Faktoren oft ganz erheblich auf die Planungsrechnungen (die vielfach allein zum Zwecke der Bewertung erstellt werden) auswirken. Gleiches gilt auch für Aufwendungen, die bei näherer Betrachtung eher privat veranlasst sind (Pensionszusagen an mitarbeitende Angehörige, unangemessene Miet- und Pachtzinsen, private Nutzung betrieblichen Vermögens), sowie – spiegelbildlich – für entsprechende ersparte Aufwendungen (insbesondere Unternehmerlohn bzw. unangemessen niedrige Vergütungen mitarbeitender Familienangehöriger). Soweit derartige (auch ersparte) Aufwendungen voraussichtlich auch nach dem Bewertungsstichtag dauerhaft in gleicher Weise fortgeführt werden, ist dies im Rahmen der Bewertung (für die zu erwartende Dauer) ebenfalls zu berücksichtigen.