Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
a) Gestaltungsüberlegungen
Rz. 644
Wie soeben gezeigt wurde, können durch eine Stufengründung einer GmbH bei einer Vermögensübertragung möglichst rasch die Haftungsprivilegien der GmbH genutzt werden. Das Verfahren der Stufengründung kann grds. auch bei einer AG durchgeführt werden. In diesem Fall sind allerdings neben den allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften über Sachkapitalerhöhungen die besonderen Vorschriften für Nachgründungen in engem zeitlichen Zusammenhang zur Gründung der AG in § 52 AktG zu beachten.
Rz. 645
Die Vorteile einer Stufengründung im Wege der Nachgründung ggü. der Sachgründung einer AG gleichen den Vorteilen der Stufengründung bei der GmbH: Zum einen kann die durch die Bargründung errichtete AG relativ schnell in das Handelsregister eingetragen werden, sodass den Aktionären ohne längere Verzögerungen eine juristische Person zur Verfügung steht. Wenn anschließend ein Unternehmen in die AG eingebracht wird, kann dieses Unternehmen sofort werbend tätig werden und von der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen profitieren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Einbringung bis zur Beendigung des Nachgründungsverfahrens schwebend unwirksam ist, was zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt.
Zum anderen besteht ein Vorteil der Sachkapitalerhöhung ggü. der Sachgründung darin, dass bei der Sachkapitalerhöhung eine Prüfung der Sacheinlage durch Vorstand und Aufsichtsrat nicht erforderlich ist. Die §§ 33, 34 AktG verlangen eine derartige Prüfung nur bei der Gründung einer AG. Dagegen muss auch bei einer Sachkapitalerhöhung eine Prüfung der Werthaltigkeit durch externe Prüfer gem. § 183 Abs. 3 AktG erfolgen.
Rz. 646
Eine zusätzliche formale Erleichterung bietet die Stufengründung bei der AG insoweit, als dass die bei einer Sachgründung gem. §§ 27 Abs. 5, 26 Abs. 5 AktG notwendigen, umfangreichen Satzungsbestimmungen über den Gegenstand der Sacheinlage, die 30 Jahre im Satzungstext verankert bleiben müssen, bei der Nachgründung durch Sachkapitalerhöhung entbehrlich sind.
Im Vergleich zur Stufengründung bei der GmbH weist das Nachgründungsverfahren bei der AG allerdings höhere formale Anforderungen auf. Als wesentlicher Nachteil ggü. der GmbH-Stufengründung ist anzusehen, dass der Einbringungsvertrag erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister endgültig wirksam wird.
b) Ablauf der Stufengründung einer AG
aa) Anwendbarkeit der Nachgründungsvorschriften auf Sachkapitalerhöhungen
Rz. 647
Der Anwendungsbereich von § 52 AktG umfasst gem. § 52 Abs. 1 AktG bestimmte Verträge, durch die die AG "vorhandene oder herzustellende Anlagen oder anderen Vermögensgegenstände" von ihren Gründungsaktionären oder Aktionären, die mit mehr als 10 % am Grundkapital beteiligt sind, innerhalb von 2 Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erwerben soll. Die Nachgründungsvorschriften erfassen nach dem Wortlaut also schuldrechtliche Austauschverträge. Es soll eine Umgehung der Regelungen zur Sachgründung durch zeitnahe Erwerbsgeschäfte der AG mit den Gründern oder anderen Großaktionären verhindert werden.
Rz. 648
Eine Sachkapitalerhöhung ist kein schuldrechtlicher Austauschvertrag zwischen den Aktionären und der AG, sondern ein korporatives Rechtsgeschäft. Trotzdem ist § 52 AktG nach überwiegender Ansicht bei Sachkapitalerhöhungen analog anwendbar, wenn sie innerhalb von 2 Jahren seit der Gründung der AG durchgeführt werden und die Sacheinlagen von den Gründern oder von Aktionären geleistet werden, die mit mehr als 10 % an der AG beteiligt sind. Maßgeblich für die Beteiligungshöhe ist dabei die voraussichtliche Beteiligung nach Durchführung der Sachkapitalerhöhung. Daher sind die Nachgründungsvorschriften auch dann anzuwenden, wenn durch die Sachkapitalerhöhung ein Aktionär, der bislang noch nicht an der AG beteiligt war, eine wesentliche Beteiligung erhalten wird. Bei Sacheinlagen von Aktionären mit geringeren Beteiligungen als 10 % des Grundkapitals nach der Kapitalerhöhung gelten die allgemeinen Vorschriften zu Sachkapitalerhöhungen in § 183 AktG.
bb) Verfahrensschritte
Rz. 649
Die einzelnen Schritte einer Nachgründung ergeben sich aus den detaillierten Regelungen des § 52 AktG. Danach muss bei der Sachkapitalerhöhung im Wege der Nachgründung folgender Ablaufplan eingehalten werden:
Rz. 650
Zunächst ist der Einbringungsvertrag über die Sacheinlage zwischen der AG und dem jeweiligen Aktionär abzuschließen. Dieser Vertragsschluss kann nicht als vorzeitige Einlageleistung gewertet werden, denn gem. § 52 Abs. 1 AktG sind sämtliche nachgründungspflichtigen Verträge bis zum Abschluss des Nachgründungsverfahrens mit der Eintragung in das Handelsregister schwebend unwirksam. Daher erfolgt durch den Abschluss des Einbringungsvertrages noch keine endgültige dingliche Vermögensübertragung an die AG vor einem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss über die Kapitalerhöhung.
Rz. 651
Über den Einbringungsvertrag muss die Hauptversammlung ...