Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
aa) Barabfindungsangebot im Umwandlungsplan
Rz. 467
Für die Anteilsinhaber einer deutschen Gesellschaft besteht ein Austrittsrecht gegen Barabfindung, wenn sie in Folge der grenzüberschreitenden Umwandlung Anteilsinhaber einer Gesellschaft sein würden, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt (§§ 313, 327 Satz 1, 340 UmwG). Dies entspricht den Richtlinienvorgaben und folgt aus dem Schutzzweck des Austrittsrechts gegen Barabfindung: Die Zumutbarkeitsgrenze für die widersprechenden Gesellschafter der übertragenden bzw. formwechselnden Gesellschaft ist nämlich nur insoweit überschritten, als sich ihre Rechte und Pflichten infolge der grenzüberschreitenden Umwandlung nach dem Recht einer ausländischen Gesellschaftsform richten. Ein Austrittsrecht besteht somit bei der Hinausverschmelzung und bei der Hinausspaltung sowie beim grenzüberschreitenden Formwechsel. Die jeweilige deutsche übertragende oder formwechselnde Gesellschaft muss jedem berechtigten Anteilsinhaber im Umwandlungsplan oder in seinem Entwurf den Erwerb seiner Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anbieten (§§ 313 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, 327 Satz 1, 340 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 UmwG). Berechtigte Anteilsinhaber sind im Einklang mit der GesRRL diejenigen, die gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben. Da das Abfindungsangebot angenommen werden muss, bevor die grenzüberschreitende Umwandlung wirksam wird (§§ 313 Abs. 3 Satz 1, 327 Satz 1, 340 Abs. 3 Satz 1 UmwG), steht es unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens der Umwandlungsmaßnahme (§§ 313 Abs. 1 Satz 2, 327 Satz 1, 340 Abs. 1 Satz 2 UmwG).
Rz. 468
Hinsichtlich der Annahme des Barabfindungsangebots, des Vollzugs des Austritts und der Zahlung der Barabfindung weichen die neuen Richtlinienvorgaben deutlich von den bisherigen Regelungen für innerstaatliche Umwandlungen sowie für grenzüberschreitende Verschmelzungen ab.
bb) Absichtsmitteilung
Rz. 469
Die GesRRL gibt zunächst vor, dass die Anteilsinhaber innerhalb einer Frist von maximal einem Monat nach der Gesellschafterversammlung "ihre Entscheidung erklären müssen, das Recht auf Veräußerung ihrer Anteile auszuüben"; diese Erklärung muss elektronisch erfolgen können (Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL). Bei dieser "Erklärung" muss es sich nach der Richtlinie aber gerade nicht um die rechtsverbindliche Annahme des Abfindungsangebots handeln, die bei einer GmbH als übertragender Gesellschaft oder formwechselnder Gesellschaft nach deutschem Recht ebenso wie die Abtretung der Geschäftsanteile der notariellen Beurkundung bedarf (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG bzw. § 15 Abs. 3 GmbHG). Vielmehr überlässt der Richtliniengeber die Regelung der Annahme des Abfindungsangebots den nationalen Umsetzungsgesetzgebern. Damit trägt die Richtlinie dem Umstand Rechnung, dass über die nähere Ausgestaltung der Annahme des Abfindungsangebots – gerade mit Blick auf die nationalen Formvorschriften – im Rat bis zuletzt keine Einigung erzielt werden konnte. Dementsprechend stellt ErwG 19 Satz 3 UmwRL klar, dass etwaige nach nationalem Recht bestehende Formerfordernisse unberührt bleiben, und ergänzen ErwG 18 Satz 4 und 5 UmwRL, dass die Richtlinie "weder nationale Vorschriften über die Gültigkeit von Verträgen für den Verkauf und die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften noch spezielle Anforderungen an die Form des Rechtsgeschäfts berühren" soll und die Mitgliedstaaten "beispielsweise eine notarielle Beurkundung […] vorschreiben können". Dafür, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern eine Unterscheidung zwischen der Austrittserklärung (nach Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL) und der – nicht näher geregelten – Annahme des Abfindungsangebots gestattet, sprechen neben der Historie auch teleologische Erwägungen. Tatsächlich verlangt der Zweck der Austrittserklärung nicht, dass der austrittsberechtigte Gesellschafter mit dieser Erklärung das Abfindungsangebot rechtsverbindlich annimmt. Denn der Zweck der Austrittserklärung erschöpft sich nach ErwG 19 Satz 1 und 2 UmwRL darin, die Gesellschaft über den voraussichtlichen Liquiditätsabfluss zu informieren. Ferner führte eine Gleichsetzung der Austrittserklärung mit der Annahme des Abfindungsangebots zu einem Konflikt mit nationalen Formvorschriften, namentlich mit § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG. Denn für die Austrittserklärung hat nach der Richtlinie die elektronische Form zu genügen (Art. 86i Abs. 2 Satz 3, 126a Abs. 2 Satz 3, Art. 160i Abs. 2 Satz 3 GesRRL), wohingegen nach in Deutschland geltendem Recht die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht im Wege der Videobeurkundung nach den §§ 16a ff. BeurkG erfüllt werden kann. Dies widerspräche jedoch ErwG 18 Satz 5 UmwRL, wonach Formvorschriften ausdrücklich unberührt bleiben.
Rz. 470
In Umsetzung dieser Richtlinienvorgaben statuieren §§ 313 Abs. 2, 327 Satz 1, 340 Abs. 2 UmwG eine Obliegenheit der austrittswilligen Anteilsinhaber, der Gesellschaft innerhalb eines Monats na...