Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 33
Darüber hinaus finden sich im Umwandlungsrecht verschiedene Haftungsregelungen, welche die Haftung nach dem jeweiligen Gesellschaftsrecht, insb. die mit der Sachgründung bzw. Sachkapitalerhöhung verbundenen Risiken berücksichtigen. So kann bei einer Neugründung einer GmbH im Rahmen einer Verschmelzung oder einer Kapitalerhöhung zur Durchführung einer Verschmelzung nach § 56 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 9 GmbHG eine Differenzhaftung der beteiligten Gesellschafter eingreifen, falls der Wert des Unternehmens des übertragenden Rechtsträgers den Gesamtnominalbetrag der gewährten neuen Geschäftsanteile unterschreitet (§ 55 Abs. 1 UmwG). Nimmt man eine solche entgegen der neueren BGH-Rspr. (s.u. Rdn 34) an, muss m.E. bei der Berechnung der Wertdifferenz aber auf den Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister (Wirksamwerden der Verschmelzung) und nicht wie bei der normalen Sachgründung (§ 9 GmbHG) auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt werden. Denn erst zu diesem Zeitpunkt wird der "Sacheinlagegegenstand" ins Vermögen der aufnehmenden/neugegründeten Gesellschaft transferiert.
Rz. 34
Dies gilt über § 125 UmwG grds. auch für die Spaltung sowie nach § 220 UmwG bzw. § 197 UmwG i.V.m. § 9 GmbHG auch für den Formwechsel. Die Haftung trifft auch bei der Verschmelzung oder Spaltung zur Neugründung die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers, obwohl § 36 Abs. 2 Satz 2 UmwG und § 135 Abs. 2 Satz 2 UmwG erklären, dass den Gründern der bzw. die übertragende(n) Rechtsträger gleich steh(t)en. Für die Verschmelzung zweier AG zur Aufnahme mit Kapitalerhöhung lehnt die Rspr. jedoch die Differenzhaftung der Aktionäre ab, da diese nicht von der entsprechenden Verweisung im UmwG erfasst sei.
Rz. 35
Beim Formwechsel gelten nach §§ 245 Abs. 1–3, 219 UmwG als Gründer einer entstehenden Kapitalgesellschaft nur die für den Formwechsel stimmenden, bei der KGaA auch die persönlich haftenden Gesellschafter.
Rz. 36
Der BGH hat zunächst für die Verschmelzung zweier AG zur Aufnahme mit Kapitalerhöhung die Differenzhaftung der Aktionäre abgelehnt, weil die diesbezügliche Verweisung im Umwandlungsrecht diese nicht erfasst. Danach hat der BGH diese Aussage auch auf die Gesellschafter eines übertragenden Rechtsträgers bei der Verschmelzung auf eine GmbH ausgedehnt. Es fehlt nach seiner Ansicht an einer Kapitaldeckungszusage für den aufnehmenden Rechtsträger. Ob die "umwandlungsrechtlichen Gründer" für die Kapitaldeckung aufzukommen haben, ist derzeit unklar. Bei der Verschmelzung erlöschen jedenfalls die in Frage kommenden übertragenden Rechtsträger. Gesichert ist aber, dass die fehlende Kapitaldeckung ein Eintragungshindernis für die betreffende Umwandlung darstellt.
Rz. 37
Bisher kaum diskutiert wird die Frage, ob die Gesellschafter einer im Zuge der Verschmelzung/Spaltung neu gegründeten GmbH sogar eine Unterbilanzhaftung für den Fall treffen kann, dass im "Gründungsstadium" bei Handeln im Namen der neuen Gesellschaft Verluste eingetreten sind, die dazu führen, dass das Reinvermögen der neu gegründeten Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung den Betrag des statutarischen Stammkapitals unterschreitet. Hier erscheint es konsequent, die Verantwortung wie bei der Differenzhaftung (s. Rdn 34) nicht den Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft aufzubürden. Zur Frage, ob überhaupt eine Vorgesellschaft entsteht, s.u. Rdn 164.
Rz. 38
Daneben kommt bei der Verschmelzung und Spaltung zur Neugründung sowie beim Formwechsel über die Verweisung in § 197 UmwG auch noch die Gründerhaftung nach § 9a GmbHG und § 46 AktG der Gesellschafter bzw. Gründer für die Richtigkeit und Vollständigkeit der zum Zweck der Gründung einer GmbH oder einer AG gemachten Angaben infrage. Mit der Argumentation des BGH zur Differenzhaftung (s. Rdn 34) dürften hier auch die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers bzw. beim Formwechsel des Ausgangsrechtsträgers nicht belangt werden können, wenn sie nicht selbst falsche Angaben machen.
Rz. 39
Streitig ist, ob die Verschmelzung einer Mutter auf ihre Tochter (sog. down-stream-merger) bei Kapitalgesellschaften eine Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG bzw. §§ 57, 62 AktG wegen verbotener Auszahlung an einen Gesellschafter auslösen kann. Diese Problematik ergibt sich insbesondere, wenn die Muttergesellschaft – wie bei Akquisitionen durch Finanzinvestoren üblich – den Erwerb der Tochtergesellschaft früher einmal überwiegend mit Fremdkapital finanziert hatte und die daraus noch bestehenden Verbindlichkeiten jetzt im Zuge eines sog. Debt-Push-Down in die Tochtergesellschaft "hineinverschmolzen" werden. Die Muttergesellschaft wird als Gesellschafterin von den Verbindlichkeiten befreit und deren Gesellschafter erhalten Anteile an der Tochtergesellschaft. Durch das MoMiG sind sowohl § 30 GmbHG als auch § 57 AktG entschärft, aber nicht ganz abgeschafft worden. Diskutiert wird diese Fallkonstellation auch unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs.