Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 451
Der Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber bedarf bei allen drei Formen der grenzüberschreitenden Umwandlung einer qualifizierten Mehrheit. Wie dargestellt richten sich nach Art. 86h, 126, 160h GesRRL die Anforderungen an den Umwandlungsbeschluss grds. nach nationalem Recht. Für den Spaltungsbeschluss und den Formwechselbeschluss macht die UmwRL jedoch – anders als für den Verschmelzungsbeschluss – weitergehende Vorgaben, die zusätzlich zu den nationalen Vorschriften für die Vorbereitung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen bzw. Hauptversammlungen zu beachten sind.
Rz. 452
So bestimmen Art. 86h Abs. 3 und 160h Abs. 3 GesRRL, dass die Mitgliedstaaten für den Zustimmungsbeschluss zu dem Umwandlungsplan eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln und maximal 90 % der Stimmen der in der Gesellschafterversammlung vertretenen Anteile oder des in der Gesellschafterversammlung vertretenen gezeichneten Kapitals vorsehen müssen, der Schwellenwert aber jedenfalls nicht höher sein darf als der im nationalen Recht für die Zustimmung zu einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vorgesehene Schwellenwert. Ergänzt wird diese Regelung um eine Mitgliedstaatenoption, der zufolge die Zustimmung einzelner Gesellschafter verlangt werden darf, deren wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft oder Dritten aufgrund einer Klausel des Plans oder einer Änderung des Errichtungsaktes der übertragenden Gesellschaft zunehmen, vorausgesetzt, der betreffende Gesellschafter kann die Austritts- und Abfindungsrechte nach Art. 86i, 160i GesRRL nicht ausüben (Art. 86h Abs. 4, 160h Abs. 4 GesRRL). Warum der Unionsgesetzgeber für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel – anders als bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen – diese speziellen Mehrheitserfordernisse aufgestellt hat, erschließt sich nicht. Auch die Erwägungsgründe geben hierüber keinen Aufschluss. Denkbar ist, dass mit diesen Mehrheitserfordernissen verhindert werden soll, dass einzelne Mitgliedstaaten (wie z.B. Frankreich), in denen (Kleinst-)Beteiligungen des Staates – insbesondere an Aktiengesellschaften – verbreitet sind, grenzüberschreitende Umstrukturierungen blockieren können. Das mag zwar durchaus ein berechtigtes Regelungsanliegen sein; es vermag aber die unterschiedliche Behandlung von grenzüberschreitenden Spaltungen und Formwechsel einerseits und grenzüberschreitenden Verschmelzungen andererseits nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig erschließt sich, warum die Mitgliedstaaten gem. Art. 86h Abs. 4, 160h Abs. 4 GesRRL bei der Begründung von zusätzlichen Verpflichtungen (z.B. Nachschusspflichten) die Zustimmung einzelner Gesellschafter verlangen dürfen, nicht aber beim Verlust von Sonderrechten (z.B. Benennungs- oder Vetorechte). Solche Sonderrechte sind in den Satzungen deutscher mittelständischer Unternehmen, insbes. bei der GmbH, zur Wahrung eines effektiven Minderheitenschutzes durchaus verbreitet. Diese Sonderrechte dürften allerdings auch künftig weiterhin zulässig sein. Denn Art. 86h Abs. 3, 160h Abs. 3 GesRRL sind so zu verstehen, dass diese Vorschriften lediglich die gesetzlichen Mehrheitserfordernisse betreffen, während in den Satzungen geregelte Mehrheitserfordernisse unberührt bleiben. Ein anderes Verständnis würde einen erheblichen Eingriff des Unionsgesetzgebers in die Satzungsautonomie von EU-/EWR Kapitalgesellschaften bedeuten, der im Hinblick auf die sowohl in den nationalen Verfassungsrechten als auch in Art. 17 GRCh verbürgte Eigentumsgarantie äußerst bedenklich wäre.
Rz. 453
Der deutsche Umsetzungsgesetzgeber hat vor diesem Hintergrund gut daran getan, sich entsprechend der Regelungen für die grenzüberschreitende Verschmelzung (vgl. §§ 305 Abs. 2, 312 UmwG; § 122a Abs. 2 UmwG a.F.) im Grundsatz darauf zu beschränken, über die Verweisung in § 320 Abs. 2 bzw. § 333 Abs. 2 UmwG die Regelungen über die innerstaatliche Spaltung bzw. den innerstaatlichen Formwechsel auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten für anwendbar zu erklären. Nationale Regelungen, wonach der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2, § 65 Abs. 1 Satz 2 UmwG), sind damit auch weiterhin zulässig.
Rz. 454
Lediglich die Vorschrift des § 128 UmwG, wonach bei der innerstaatlichen nicht verhältniswahrenden Spaltung die Zustimmung aller Anteilsinhaber erforderlich ist, war aufgrund der Vorgaben des Art. 160h Abs. 3 GesRRL für die grenzüberschreitende nicht verhältniswahrende Spaltung anzupassen (§ 326 Abs. 3 UmwG).