Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 469
Die GesRRL gibt zunächst vor, dass die Anteilsinhaber innerhalb einer Frist von maximal einem Monat nach der Gesellschafterversammlung "ihre Entscheidung erklären müssen, das Recht auf Veräußerung ihrer Anteile auszuüben"; diese Erklärung muss elektronisch erfolgen können (Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL). Bei dieser "Erklärung" muss es sich nach der Richtlinie aber gerade nicht um die rechtsverbindliche Annahme des Abfindungsangebots handeln, die bei einer GmbH als übertragender Gesellschaft oder formwechselnder Gesellschaft nach deutschem Recht ebenso wie die Abtretung der Geschäftsanteile der notariellen Beurkundung bedarf (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG bzw. § 15 Abs. 3 GmbHG). Vielmehr überlässt der Richtliniengeber die Regelung der Annahme des Abfindungsangebots den nationalen Umsetzungsgesetzgebern. Damit trägt die Richtlinie dem Umstand Rechnung, dass über die nähere Ausgestaltung der Annahme des Abfindungsangebots – gerade mit Blick auf die nationalen Formvorschriften – im Rat bis zuletzt keine Einigung erzielt werden konnte. Dementsprechend stellt ErwG 19 Satz 3 UmwRL klar, dass etwaige nach nationalem Recht bestehende Formerfordernisse unberührt bleiben, und ergänzen ErwG 18 Satz 4 und 5 UmwRL, dass die Richtlinie "weder nationale Vorschriften über die Gültigkeit von Verträgen für den Verkauf und die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften noch spezielle Anforderungen an die Form des Rechtsgeschäfts berühren" soll und die Mitgliedstaaten "beispielsweise eine notarielle Beurkundung […] vorschreiben können". Dafür, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern eine Unterscheidung zwischen der Austrittserklärung (nach Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL) und der – nicht näher geregelten – Annahme des Abfindungsangebots gestattet, sprechen neben der Historie auch teleologische Erwägungen. Tatsächlich verlangt der Zweck der Austrittserklärung nicht, dass der austrittsberechtigte Gesellschafter mit dieser Erklärung das Abfindungsangebot rechtsverbindlich annimmt. Denn der Zweck der Austrittserklärung erschöpft sich nach ErwG 19 Satz 1 und 2 UmwRL darin, die Gesellschaft über den voraussichtlichen Liquiditätsabfluss zu informieren. Ferner führte eine Gleichsetzung der Austrittserklärung mit der Annahme des Abfindungsangebots zu einem Konflikt mit nationalen Formvorschriften, namentlich mit § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG. Denn für die Austrittserklärung hat nach der Richtlinie die elektronische Form zu genügen (Art. 86i Abs. 2 Satz 3, 126a Abs. 2 Satz 3, Art. 160i Abs. 2 Satz 3 GesRRL), wohingegen nach in Deutschland geltendem Recht die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht im Wege der Videobeurkundung nach den §§ 16a ff. BeurkG erfüllt werden kann. Dies widerspräche jedoch ErwG 18 Satz 5 UmwRL, wonach Formvorschriften ausdrücklich unberührt bleiben.
Rz. 470
In Umsetzung dieser Richtlinienvorgaben statuieren §§ 313 Abs. 2, 327 Satz 1, 340 Abs. 2 UmwG eine Obliegenheit der austrittswilligen Anteilsinhaber, der Gesellschaft innerhalb eines Monats nach dem Zustimmungsbeschluss ihre Absicht zur Annahme des Abfindungsangebots mitzuteilen. Bei der Erklärung handelt es sich damit noch nicht um die Annahme des Barabfindungsangebots, sondern um eine – stets formfreie – Absichtserklärung, die lediglich rechtliche Voraussetzung zur späteren Annahme ist (vgl. §§ 313 Abs. 3 Satz 2, 327 Satz 1, 340 Abs. 3 Satz 2 UmwG).