Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 531
Die gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb einer GmbH unterscheidet sich wesentlich von derjenigen bei einer AG. Während bei der AG die drei Organe Vorstand, Hauptversammlung und Aufsichtsrat in einer ausgeglichenen Machtbalance zueinander stehen und insb. der Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG die Geschäfte in eigener Verantwortung führt, ist bei der GmbH die Gesellschafterversammlung das oberste Organ mit einer umfassenden Letztendscheidungskompetenz. So sind die Gesellschafter gem. § 37 Abs. 1 GmbHG befugt, den Geschäftsführern sogar verbindliche Weisungen für Einzelentscheidungen des Tagesgeschäftes zu geben. Nach § 49 Abs. 2 GmbHG muss jederzeit eine Gesellschafterversammlung einberufen werden, wenn es im Interesse der Gesellschafter erforderlich erscheint.
Aus diesen gesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung über außergewöhnliche und bedeutende Maßnahmen entscheiden muss. Unklar ist allerdings, welchen Umfang eine Ausgliederung haben muss, um als außergewöhnlich und somit zustimmungsbedürftig qualifiziert zu werden. Vor der Gelatine-Entscheidung des BGH wurde die Ansicht vertreten, dass der Umfang Entscheidungskompetenzen der Gesellschafter in der AG und in der GmbH weitgehend deckungsgleich ist, sodass sämtliche Ausgliederungen bei einer AG oder einer GmbH, die eine gewisse Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, als zustimmungspflichtig angesehen wurden.
Nachdem der BGH diese Wesentlichkeitsschwelle bei der AG nun stark angehoben und eine Zustimmung der Hauptversammlung nur noch in Ausnahmefällen bejaht hat, können diese Grundsätze aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzordnungen nicht mehr auf die GmbH übertragen werden. Es ist u.E. für die GmbH vielmehr davon auszugehen, dass die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der GmbH bei sämtlichen Ausgliederungen, die nicht vollkommen unwesentlich sind, entscheidungsbefugt ist und von den Geschäftsführern angerufen werden muss.
Bei der Beurteilung einer Ausgliederung als wesentlich sind sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien für die Entscheidung maßgeblich. So ist eine Ausgliederung eines Betriebsteils im Rahmen eines Joint-Ventures mit Beteiligung eines Dritten auch bei geringem Volumen als wesentlich zu bewerten, während eine Ausgliederung auf eine 100 %ige Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH bei gleichem geringen Volumen noch als unwesentlich eingestuft werden kann. Die Frage der Wesentlichkeit einer Ausgliederung bei einer GmbH kann daher letztendlich nur im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.
Hinweis
Regelmäßig finden sich in GmbH-Satzungen Kataloge der für die Geschäftsführung zustimmungspflichtigen Maßnahmen. Wenn die Auslegung solcher Satzungsregelungen ergibt, dass eine Ausgliederung unter eine oder mehrere Fälle des Katalogs fällt, ist unabhängig von der dargestellten Problematik die Gesellschafterversammlung zu befassen.
Rz. 532
Der BGH hat in der Gelatine-Entscheidung einen mit einer qualifizierten Mehrheit gefassten Beschluss verlangt. Dieses Mehrheitserfordernis kann nicht auf die GmbH übertragen werden, da der BGH die Hauptversammlungskompetenz in offener Rechtsfortbildung aus der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der AG ableitet. Die erforderliche Mehrheit bestimmt sich daher zunächst nach § 47 Abs. 1 GmbHG. Entsprechend können die Beschlüsse der Gesellschafter über Ausgliederungen und andere ungewöhnliche Maßnahmen grds. mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. Etwas anderes kann bei Vorhaben gelten, bei denen i.R.d. Ausgliederung auch externe Gesellschafter beteiligt werden. In diesen Konstellationen erscheint es sachgerecht, entsprechend den Regelungen bei Kapitalerhöhungen eine qualifizierte Mehrheit zu fordern.
Hinweis
Auch insoweit ist die Satzung der einbringenden GmbH vorrangig zu beachten und ggf. auszulegen.