Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 593
Kennzeichen des Umwandlungsrechts ist, dass Umwandlungsvorgänge der Zustimmung der Gesellschafter der beteiligten Rechtsträger bedürfen. Das Zustimmungserfordernis der Gesellschafter kann daher als umwandlungsrechtliches Grundprinzip angesehen werden.
Rz. 594
Der BGH hat bereits vor der Verabschiedung des UmwG in seiner Holzmüller-Entscheidung im Jahr 1982 bei der Ausgliederung von wesentlichen Vermögensteilen aus einer AG im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG angenommen.
In der Lit. wurde die dogmatische Verankerung der Hauptversammlungskompetenz in § 119 Abs. 2 AktG überwiegend abgelehnt, weil das Vorlageermessen in § 119 Abs. 2 AktG dem Vorstand die Haftungsbefreiung das § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG eröffnen will und der Vorstand daher bei seiner Ermessensausübung ausschließlich seine eigenen Interessen und nicht die der Aktionäre berücksichtigen muss. Eine Ermessensreduktion aufgrund eines gesteigerten Interesses der Aktionäre widerspräche der Zielsetzung des § 119 Abs. 2 AktG. Stattdessen wurde die Hauptversammlungszuständigkeit aus einer Gesamtanalogie aus §§ 179, 293 Abs. 2, 319 Abs. 2 AktG und §§ 125, 65 UmwG abgeleitet. Insoweit wurden also auch Vorschriften des UmwG für die Gesamtanalogie zur Begründung einer Hauptversammlungskompetenz herangezogen. Da bei einer Ausgliederung nach dem UmwG ein Hauptversammlungsbeschluss unabhängig vom Volumen der Ausgliederung notwendig ist, führte die Annahme einer Gesamtanalogie zu einer steten Ausweitung der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen bei Umstrukturierungsvorgängen.
Rz. 595
In seinen Gelatine-Entscheidungen hat sich der BGH ausdrücklich von sämtlichen bisher vertretenen dogmatischen Ansätzen gelöst. Die besondere Zuständigkeit der Hauptversammlung sei weder aus § 119 Abs. 2 AktG noch aus einer Gesetzesanalogie abzuleiten, sondern sei das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung.
Obwohl der BGH nur über ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung einer AG entschieden hat, ist die Entscheidung auch für andere Rechtsformen bedeutsam. Indem der BGH eine analoge Anwendung der rechtsformübergreifenden umwandlungsrechtlichen Vorschriften ausdrücklich abgelehnt hat, hat er verdeutlicht, dass es nach seiner Ansicht gerade keinen allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Gesellschafterkompetenzen bei Ausgliederungsfällen gibt. Vielmehr sei die Hauptversammlung nur in besonders gravierenden Fällen, die zu einer Aushöhlung der Aktionärsrechte führen können, entscheidungsbefugt. Die Hauptversammlung muss also nach Ansicht des BGH einer Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge nur in Extremfällen zustimmen, während sie bei einer Ausgliederung nach dem UmwG stets und unabhängig von den wirtschaftlichen Auswirkungen zustimmungspflichtig ist.
Rz. 596
Somit hat der BGH einen allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz, wonach bei Umstrukturierungen grds. die Gesellschafter zustimmen müssen, abgelehnt. Offensichtlich sieht der BGH auch im rechtsformübergreifenden UmwG keine derartige allgemeine Wertung verankert. Eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter bei Umstrukturierungen außerhalb des Umwandlungsrechts ergibt sich daher nur entweder aus dem Verfahren der konkreten Umstrukturierung oder aus den jeweils rechtsformspezifischen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Daher kann auch bei der GmbH eine Gesellschafterzuständigkeit bei Ausgliederungen nicht durch eine Analogie zu umwandlungsrechtlichen Vorschriften sondern nur mit der allgemeinen Kompetenz- und Aufgabenverteilung innerhalb der GmbH begründet werden.