Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 16
Durch das Analogieverbot (i.e.S.) und den numerus clausus im UmwG werden Umstrukturierungsmaßnahmen nach den allgemeinen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Regeln nicht ausgeschlossen. Möglich sind auch in Sonderkonstellationen Umwandlungsmaßnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften oder auf Grundlage des Kirchenrechts. Verzichtet man auf die Vorteile des UmwG, die insb. in der Gesamtrechtsnachfolge bestehen, sind zahlreiche alternative Wege für jede der Umwandlungsmöglichkeiten nach allgemeinem Recht eröffnet. Bei der Vertrags- und Beschlussgestaltung muss allerdings dann genau differenziert werden.
Rz. 17
Die wirtschaftlichen Zielsetzungen eines Verschmelzungsverfahrens können z.B. durch einen Anteilskauf, durch eine Einbringung der Mitgliedschaft (Share) als Sacheinlage gegen Anteilsgewährung oder aber auch durch Einzelübertragung des Aktivvermögens evtl. flankiert mit einem Unternehmensvertrag weitgehend erreicht werden. In der Praxis zunehmend beliebter wird auch die Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung bei der GmbH mit der Einbringung eines Unternehmens(teils) als Sachagio.
Rz. 18
In vielen Fällen wird gerade bei kleineren und wirtschaftlich unbedeutenderen Umstrukturierungswünschen an die Stelle einer Ausgliederung nach dem UmwG die bloße Einzelübertragung im Wege der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage (Assets) treten. Bei Personengesellschaften bieten sich als Alternative die sog. Anwachsungs- oder Abwachsungsmodelle an. Diese bleiben im Grundsatz auch nach dem MoPeG denkbare Gestaltungsvarianten, wenngleich die Einzelheiten der Anwachsung und Abwachsung im Personengesellschaftsrecht neuerdings wieder detailliert in der Diskussion stehen. Ebenso nach den allgemeinen Regeln des HGB auch die identitätswahrende "Umwandlung" einer BGB-Gesellschaft in eine OHG oder in eine KG (nach Eintragung nun mittels des Rechtsinstituts des Statuswechsels, dazu Rdn 378 ff.) sowie einer KG in eine GmbH & Co. KG zulässig. Für die rechtsfähige, aber nicht eingetragene GbR kann sich auch weiterhin bspw. ein identitätswahrender Formwechsel außerhalb des UmwG und des Statuswechselverfahrens durch die Anmeldung und Eintragung als KG zum Handelsregister bewerkstelligen lassen, wenn die bisher als GbR tätige Gesellschaft die Voraussetzungen für die Eintragung als KG erfüllt, also insbesondere einen haftungsbeschränkten Gesellschafter als Kommanditisten vorweisen kann.
Rz. 19
Die Vorteile, die das UmwG gerade durch die Gesamtrechtsnachfolge bietet, sind insb. dann, wenn es sich nicht um konzerninterne Maßnahmen handelt (sonst viele Verzichtsmöglichkeiten), durch zahlreiche, z.T. aufwendige Verfahrensschritte, zu erkaufen. Gerade bei der AG wird durch diese Verfahrensschritte ein zeitlicher Vorlauf zwingend vorgeschrieben, der hinderlich sein kann. So sehen das Verschmelzungs- und das Spaltungsrecht z.B. vor, dass vor der Einberufung der Hauptversammlung, die über die Umwandlung zu entscheiden hat – somit mindestens einen Monat vor der entsprechenden Entschlussfassung – der Entwurf des Verschmelzungsvertrages, Spaltungsvertrages bzw. des diesbezüglichen Entwurfs beim Handelsregister eingereicht werden muss (§§ 61, 125 UmwG).
Rz. 20
Fehlerträchtige Berichtspflichten und die im Regelfall zwingende Beschlussfassung durch die Hauptversammlung sollten jeden Rechtsanwalt, Notar und Steuerberater bei dem Wunsch nach Umstrukturierung auch die Alternativen außerhalb des UmwG in Betracht ziehen lassen. Neben der Überlegung, wie sich die verschiedenen Wege zum gewünschten Erfolg kosten-, steuer- und arbeitsrechtlich auswirken, muss auch die Frage gestellt werden, welcher Weg die meiste Angriffsfläche für Klagen von Minderheitsgesellschaftern mit sich bringt (s. insb. § 14 Abs. 2 UmwG). Bei Spaltungsvorgängen schlägt auch die 5-jährige (bei Versorgungsansprüchen sogar 10-jährige) gesamtschuldnerische Nachhaftung für alle beteiligten Rechtsträger zu Buche (§ 133 Abs. 1, Abs. 3 UmwG). Gerade bei Ausgliederungsmaßnahmen sprechen oft gute Gründe gegen eine Lösung über das UmwG.
Rz. 21
Umgekehrt ist allerdings eine in der Lit. zu Recht heftig kritisierte Tendenz der untergerichtlichen Rspr. zu beachten, die Anforderungen an eine Umwandlung analog auch auf eine Maßnahme der "Ausgliederung" nach allgemeinem Recht, die wirtschaftlich den gleichen Effekt hat, anzuwenden (Analogie i.w.S.). Der BGH hat in seiner Entscheidung zum Delisting keine analoge Anwendung des UmwG angeordnet, allerdings den Rechtsgedanken des § 29 UmwG (Abfindungsangebot für ausscheidenswillige Anteilsinhaber) aufgegriffen. Grds. hat jedes Unternehmen die freie Wahl, welchen Umstrukturierungsweg es einschlägt. Dabei kann es sich des UmwG bedienen, muss es aber nicht. Der BGH hat die sog. "Holzmüller-Grundsätze" für das Erfordernis von Zustimmungsbeschlüssen der Anteilseigner auch bei Umstrukturierungen außerhalb des Umwandlungsrechts und Einzelrechtsübertragungen bedeutender Unternehmensteile...