Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
Rz. 73
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG regelt das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung. Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers geht als Ganzes auf den übernehmenden oder neu gegründeten Rechtsträger über. Dies betrifft sämtliche Aktiva und Passiva, einschließlich aller Vertragsverhältnisse, ebenso wie Schiedsvereinbarungen und auch öffentlich-rechtliche Positionen. Auch bei einem laufenden Zivilprozess tritt der Gesamtrechtsnachfolger in die Parteienstellung ein. Für eine laufende Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss der übertragenden AG kann allerdings das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Auch öffentlich-rechtliche Positionen können grds. übergehen, nicht aber, wenn sie personenbezogen waren. Ausnahmen können sich auch ergeben, wenn ein Recht wie z.B. die beschränkt persönliche Dienstbarkeit einer natürlichen Person wegen seiner besonderen Struktur nicht übertragbar ist.
Rz. 74
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die übertragende Gesellschaft setzen sich aber nicht ohne Weiteres beim aufnehmenden Rechtsträger fort. Ein vormaliger Verstoß durch den übertragenden Rechtsträger begründet nicht ohne weiteres eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr beim aufnehmenden Rechtsträger. Bußgeldrechtliche Haftungen können mit übergehen, ebenso wie bei kartellrechtlichen Verstößen ein solcher zwar nicht an sich, aber die ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit mit übergehen kann. Der EuGH legt Art 19 Abs. 1 RL 78/855/EWG so aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße bei der Verschmelzung auf eine Aktiengesellschaft auf diese sogar dann übergeht, wenn diese erst nach der Verschmelzung verhängt wird, aber die geahndete arbeitsrechtliche Zuwiderhandlung bei der übertragenden Gesellschaft schon vorher stattgefunden hat.
Rz. 75
Aus der Definition der Gesamtrechtsnachfolge folgt auch, dass einzelne Aktiva oder Passiva von der Gesamtrechtsnachfolge nicht ausgenommen werden können. Entsprechende Vereinbarungen sind nichtig (§ 134 BGB). Einzelverfügungen über Gegenstände der erlöschenden Gesellschaft können jedoch noch bis zur konstitutiven Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister wirksam vorgenommen werden. Diese Gegenstände müssen dann jedoch vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung mit dinglicher Wirkung aus dem Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ausgeschieden sein.
Rz. 76
Bei von der Gesamtrechtsnachfolge erfassten gegenseitigen Verträgen kann sich ein Sonderkündigungsrecht aus einer entsprechenden Vertragsklausel (Change of Control-Klausel), aber auch aus den Gesamtumständen ergeben. § 21 UmwG enthält diesbezüglich eine Billigkeitsregelung. Wenn ein unverändertes Festhalten an dem betroffenen Vertrag unzumutbar ist, kommt auch eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) in Frage. Die Stellung des Wohnungseigentumsverwalters galt lange wegen seines höchstpersönlichen Charakters als nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragbar. Dem hat der BGH jetzt für die Verschmelzung von einer GmbH auf eine andere GmbH widersprochen. Der Sicherungsumfang einer Globalzession beim übertragenden Rechtsträger ergibt sich beim aufnehmenden Rechtsträger durch Auslegung der Sicherungsvereinbarung. Auch der Firmentarifvertrag geht bei der Verschmelzung zur Aufnahme grds. über. Die Bindung des bisherigen Haustarifvertrages vom übertragenden Rechtsträger geht jedoch beim nicht tarifgebundenen aufnehmenden Rechtsträger nicht weiter als der Geltungsbereich des Haustarifvertrages reicht und ist daher auf die (tarifgebundenen) Arbeitnehmer der übernommenen Rechtsträger beschränkt. Der BGH sieht auch die Stellung des Wohnungseigentumsverwalters als im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragbar an. Der Übergang von Vereinsmitgliedschaften und der Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft ist streitig. Ist in einem Vertrag ein Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2 BGB vereinbart, steht dies nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei einer Verschmelzung des Auftragnehmers dem Übergang der Zahlungsansprüche des Auftragnehmers auf die übernehmende Gesellschaft nicht entgegen.