Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
1. Schutz der Minderheitsgesellschafter
Rz. 466
Nach der GesRRL haben die Mitgliedstaaten den Schutz der Minderheitsgesellschafter zum einen durch ein (formales) Mitentscheidungsrecht im Rahmen des Beschlusserfordernisses sowie durch Informationen in Form des Umwandlungsberichts und des Prüfungsberichts zu gewährleisten. Darüber hinaus hat der Unionsgesetzgeber in der UmwRL für alle drei Formen grenzüberschreitender Umwandlungen als EU-Mindeststandard ein zusätzliches Schutzsystem verankert. Dieses besteht aus einem Austrittsrecht gegen Barabfindung sowie bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen zusätzlich aus einem Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses; im Gegenzug ist eine Anfechtung des Umwandlungsbeschlusses wegen Bewertungsmängeln und bewertungsbezogenen Informationsmängeln ausgeschlossen (Art. 86h Abs. 5, 86i, 126 Abs. 4, 126a, 160h Abs. 5, 160i GesRRL). Austrittsrecht gegen Barabfindung und Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses sind zwar im deutschen Recht bekannt, die Umsetzung der Richtlinienvorgaben bringt indes einige Neuerungen.
a) Austrittsrecht gegen Barabfindung
aa) Barabfindungsangebot im Umwandlungsplan
Rz. 467
Für die Anteilsinhaber einer deutschen Gesellschaft besteht ein Austrittsrecht gegen Barabfindung, wenn sie in Folge der grenzüberschreitenden Umwandlung Anteilsinhaber einer Gesellschaft sein würden, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt (§§ 313, 327 Satz 1, 340 UmwG). Dies entspricht den Richtlinienvorgaben und folgt aus dem Schutzzweck des Austrittsrechts gegen Barabfindung: Die Zumutbarkeitsgrenze für die widersprechenden Gesellschafter der übertragenden bzw. formwechselnden Gesellschaft ist nämlich nur insoweit überschritten, als sich ihre Rechte und Pflichten infolge der grenzüberschreitenden Umwandlung nach dem Recht einer ausländischen Gesellschaftsform richten. Ein Austrittsrecht besteht somit bei der Hinausverschmelzung und bei der Hinausspaltung sowie beim grenzüberschreitenden Formwechsel. Die jeweilige deutsche übertragende oder formwechselnde Gesellschaft muss jedem berechtigten Anteilsinhaber im Umwandlungsplan oder in seinem Entwurf den Erwerb seiner Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anbieten (§§ 313 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, 327 Satz 1, 340 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 UmwG). Berechtigte Anteilsinhaber sind im Einklang mit der GesRRL diejenigen, die gegen den Umwandlungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben. Da das Abfindungsangebot angenommen werden muss, bevor die grenzüberschreitende Umwandlung wirksam wird (§§ 313 Abs. 3 Satz 1, 327 Satz 1, 340 Abs. 3 Satz 1 UmwG), steht es unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens der Umwandlungsmaßnahme (§§ 313 Abs. 1 Satz 2, 327 Satz 1, 340 Abs. 1 Satz 2 UmwG).
Rz. 468
Hinsichtlich der Annahme des Barabfindungsangebots, des Vollzugs des Austritts und der Zahlung der Barabfindung weichen die neuen Richtlinienvorgaben deutlich von den bisherigen Regelungen für innerstaatliche Umwandlungen sowie für grenzüberschreitende Verschmelzungen ab.
bb) Absichtsmitteilung
Rz. 469
Die GesRRL gibt zunächst vor, dass die Anteilsinhaber innerhalb einer Frist von maximal einem Monat nach der Gesellschafterversammlung "ihre Entscheidung erklären müssen, das Recht auf Veräußerung ihrer Anteile auszuüben"; diese Erklärung muss elektronisch erfolgen können (Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL). Bei dieser "Erklärung" muss es sich nach der Richtlinie aber gerade nicht um die rechtsverbindliche Annahme des Abfindungsangebots handeln, die bei einer GmbH als übertragender Gesellschaft oder formwechselnder Gesellschaft nach deutschem Recht ebenso wie die Abtretung der Geschäftsanteile der notariellen Beurkundung bedarf (§ 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG bzw. § 15 Abs. 3 GmbHG). Vielmehr überlässt der Richtliniengeber die Regelung der Annahme des Abfindungsangebots den nationalen Umsetzungsgesetzgebern. Damit trägt die Richtlinie dem Umstand Rechnung, dass über die nähere Ausgestaltung der Annahme des Abfindungsangebots – gerade mit Blick auf die nationalen Formvorschriften – im Rat bis zuletzt keine Einigung erzielt werden konnte. Dementsprechend stellt ErwG 19 Satz 3 UmwRL klar, dass etwaige nach nationalem Recht bestehende Formerfordernisse unberührt bleiben, und ergänzen ErwG 18 Satz 4 und 5 UmwRL, dass die Richtlinie "weder nationale Vorschriften über die Gültigkeit von Verträgen für den Verkauf und die Übertragung von Anteilen an Gesellschaften noch spezielle Anforderungen an die Form des Rechtsgeschäfts berühren" soll und die Mitgliedstaaten "beispielsweise eine notarielle Beurkundung […] vorschreiben können". Dafür, dass die Richtlinie den nationalen Gesetzgebern eine Unterscheidung zwischen der Austrittserklärung (nach Art. 86i Abs. 2, 126a Abs. 2, 160i Abs. 2 GesRRL) und der – nicht näher geregelten – Annahme des Abfindungsa...