Ralf Knaier, Dr. Peter Stelmaszczyk
1. Definition und Grundprinzipien
a) Übersicht
Rz. 70
Die Verschmelzung ist die wichtigste im UmwG vorgesehene Umwandlungsform. Einerseits kommt sie in der Praxis am häufigsten vor. Andererseits wird in den anderen Umwandlungsarten mehr oder weniger vollständig auf die Regelungen des Verschmelzungsrechts verwiesen, sodass dort die gleichen Grundsätze anzuwenden sind (vgl. nur die §§ 125, 176 Abs. 1, 180 UmwG).
Rz. 71
Die Verschmelzung beinhaltet folgende Wesensmerkmale:
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Verbindung zweier oder mehrerer Rechtsträger |
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durch Übergang aller Aktiva und Passiva ipso iure (durch Gesamtrechtsnachfolge) |
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von einem oder mehreren liquidationslos erlöschenden Rechtsträgern, |
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auf den (einen) aufnehmenden oder neu zu bildenden Rechtsträger |
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unter Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber (Gesellschafter, Aktionäre, Genossen oder Mitglieder) des übertragenden Rechtsträgers. |
b) Erlöschen der Überträgerin
Rz. 72
Bei der Verschmelzung ist der Untergang des übertragenden Rechtsträgers zwingend. Sein Fortbestand kann nicht wirksam vereinbart werden. Dabei geschieht die Verschmelzung jedoch unter Ausschluss der Abwicklung. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge, das keinen Raum für eine Liquidation lässt.
c) Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 73
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG regelt das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung. Das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers geht als Ganzes auf den übernehmenden oder neu gegründeten Rechtsträger über. Dies betrifft sämtliche Aktiva und Passiva, einschließlich aller Vertragsverhältnisse, ebenso wie Schiedsvereinbarungen und auch öffentlich-rechtliche Positionen. Auch bei einem laufenden Zivilprozess tritt der Gesamtrechtsnachfolger in die Parteienstellung ein. Für eine laufende Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss der übertragenden AG kann allerdings das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Auch öffentlich-rechtliche Positionen können grds. übergehen, nicht aber, wenn sie personenbezogen waren. Ausnahmen können sich auch ergeben, wenn ein Recht wie z.B. die beschränkt persönliche Dienstbarkeit einer natürlichen Person wegen seiner besonderen Struktur nicht übertragbar ist.
Rz. 74
Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die übertragende Gesellschaft setzen sich aber nicht ohne Weiteres beim aufnehmenden Rechtsträger fort. Ein vormaliger Verstoß durch den übertragenden Rechtsträger begründet nicht ohne weiteres eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr beim aufnehmenden Rechtsträger. Bußgeldrechtliche Haftungen können mit übergehen, ebenso wie bei kartellrechtlichen Verstößen ein solcher zwar nicht an sich, aber die ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit mit übergehen kann. Der EuGH legt Art 19 Abs. 1 RL 78/855/EWG so aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße bei der Verschmelzung auf eine Aktiengesellschaft auf diese sogar dann übergeht, wenn diese erst nach der Verschmelzung verhängt wird, aber die geahndete arbeitsrechtliche Zuwiderhandlung bei der übertragenden Gesellschaft schon vorher stattgefunden hat.
Rz. 75
Aus der Definition der Gesamtrechtsnachfolge folgt auch, dass einzelne Aktiva oder Passiva von der Gesamtrechtsnachfolge nicht ausgenommen werden können. Entsprechende Vereinbarungen sind nichtig (§ 134 BGB). Einzelverfügungen über Gegenstände der erlöschenden Gesellschaft können jedoch noch bis zur konstitutiven Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister wirksam vorgenommen werden. Diese Gegenstände müssen dann jedoch vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung mit dinglicher Wirkung aus dem Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ausgeschieden sein.
Rz. 76
Bei von der Gesamtrechtsnachfolge erfassten gegenseitigen Verträgen kann sich ein Sonderkündigungsrecht aus einer entsprechenden Vertragsklausel (Change of Control-Klausel), aber auch aus den Gesamtumständen ergeben. § 21 UmwG enthält diesbezüglich eine Billigkeitsregelung. Wenn ein unverändertes Festhalten an dem betroffenen Vertrag unzumutbar ist, kommt auch eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) in Frage. Die Stellung des Wohnungseigentumsverwalters galt lange wegen seines höchstpersönlichen Charakters als nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragbar. Dem hat der BGH jetzt für die Verschmelzung von einer GmbH auf eine andere GmbH widersprochen. Der Sicherungsumfang einer Globalzession beim übertragenden Rechtsträger ergibt sich ...