Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 47
Die Rechtsprechung greift bei der Anwendung von § 2221 BGB seit jeher auf Tabellen zurück. Dabei betont sie fortlaufend, dass sich jede schematische Anwendung einer Tabelle verbietet und es immer Aufgabe des konkret zur Entscheidungsfindung berufenen Richters sei, die Angemessenheit der Vergütung im konkreten Einzelfall zu ermitteln. Die Abrechnung nach sogenannten Tabellen stellt damit zwar die heute noch üblichste Art der Bemessung der Testamentsvollstreckervergütung dar. Aus der Praxis heraus kann aber nicht gesagt werden, dass sie zu signifikant niedrigerem Streitpotential führt als andere – durch den Erblasser angeordnete – Vergütungsformen.
a) Fehlende Rechtskraft von Vergütungstabellen
Rz. 48
Zur Rechtsnatur der sog. Vergütungstabellen ist zunächst festzustellen, dass es sich bei ihnen nicht um Regelungen handelt, die mit irgendeiner Rechtskraft ausgestattet wären oder auch nur gesetzesnahe Regelungskraft entfalten würden. Sie müssen daher von den Gerichten im Vergütungsrechtsstreit nicht anerkannt werden. Zu Recht verwendet der Deutsche Notarverein daher für seine "Tabelle" die Bezeichnung "Vergütungsempfehlung".
Auch die Vergütungstabellen knüpfen an die gesetzliche Regelung an, wonach die Führung des Amtes des Testamentsvollstreckers angemessen zu vergüten ist. Nach der Definition des BGH vor mittlerweile über sechzig Jahren gilt hierfür Folgendes:
Zitat
"Für die Vergütung des Testamentsvollstreckers (ist) der ihm im Rahmen der Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn treffenden Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit maßgebend, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder der Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen und auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind."
Rz. 49
Entscheidend für die Angemessenheit ist somit immer der Einzelfall, wobei sich im Laufe der Zeit folgende Kriterien als besonders relevant herausgebildet haben:
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Wert und Umfang des Nachlasses; |
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Bestand des Nachlasses (Immobilienbesitz, kaufmännisches Unternehmen, Privathaushalt, Kapitalvermögen); |
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Strukturierung des Nachlasses (Schulden, Steuersituation, Ordnung der Unterlagen); |
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Zahl der beteiligten Personen (Erben, Gläubiger, Vermächtnisnehmer, Streitigkeiten bei Auseinandersetzung und Schuldenregulierung; Außenprüfung durch Finanzamt); |
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zeitliche Dauer der Testamentsvollstreckung. |
Da es keine amtliche Tabelle im Sinne einer Gebührenordnung gibt, haben sich unterschiedliche Tabellen entwickelt.
b) Die in der Praxis wichtigsten Tabellen
Rz. 50
Vergütungstabellen haben sich im Laufe der Zeit sehr zahlreich gebildet, etwa ein Dutzend. Sie unterscheiden sich vielfach nur in der Zuordnung bestimmter Vergütungsbeträge zu bestimmten Nachlasswerten. In der Praxis besonders geläufig sind folgende "klassischen" Tabellen:
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Rheinische Tabelle des Notariats in Rheinpreußen aus dem Jahre 1925, (in der juristischen Umgangssprache auch bezeichnet als "alte Rheinische Tabelle") |
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Möhring‘sche Tabelle |
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Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins 2000 (abgekürzt DNotV-E, in der juristischen Umgangssprache auch teilweise bezeichnet als "neue Rheinische Tabelle"). |
Die Rheinische Tabelle des Notariats in Rheinpreußen aus dem Jahre 1925 wird als die "Mutter" aller Tabellen angesehen. Sie geht noch von Reichsmark aus; die Werte wurden später einfach 1:1 in DM übertragen. Für eine unmittelbare Verwendung ist sie nicht geeignet. Bei Testamentsvollstreckern hat sie allenfalls die Funktion als "Auslaufmodell".
Rz. 51
Die zeitlich nachfolgenden Tabellen sind insbesondere von dem Gedanken getragen, die seit 1925 eingetretene Geldmarktentwicklung auszugleichen. Zu nennen sind insbesondere die "Möhring‘sche Tabelle", die "Klinghöffer‘sche Tabelle" sowie die "Eckelskemper‘sche Tabelle". Diese Tabellen gehen für die Vergütung grundsätzlich von normalen Verhältnissen und einer "glatten" Abwicklung aus, was dem Grundsatz der (konkreten) Verantwortungsvergütung und dem erforderlichen Blick auf den Einzelfall der Testamentsvollstreckung widerspricht.
Rz. 52
Als derzeit modernste Tabelle, gleichsam als "Nachfolgemodell" der Rheinische Tabelle des Notariats in Rheinpreußen, sind die Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins aus dem Jahr 2000 (DNotV-E) zu nennen. Diese Tabelle hat sich in der Praxis als aktuell und überzeugend, weil grundsätzlich passend für die Vielzahl der Fallvarianten, jedenfalls in der Rechtsprechung durchgesetzt. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass das Nebeneinander...